Schoen wie Kaesekuchen
meine Hand und zieht mich mit sich durch das Tor hindurch.
Kapitel 4
A ls ich meine Augen wieder aufmache, stehen wir in einem geschlossenen Raum. Vor uns ragt ein etwa fünf Meter hohes Richterpult auf und blitzartig fühle ich mich unbehaglich. Das letzte Mal als ich vor einem Richter stand, ging es zwar nur um einen unbezahlten Strafzettel, trotzdem ist man sofort eingeschüchtert, wenn man in so einem Gerichtssaal steht. Dementsprechend zaghaft, um bloß keine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, schaue ich nach meinen Begleitern. Bernd steht direkt neben mir und gerade eben kommt Petrus hineingestürzt.
»Ohje, ich habe zwar gewusst, dass das Tor defekt ist, aber dass es singt, ist auch mir neu«, sagt er und schaut mich entschuldigend an. »Nun, wo hat es uns denn diesmal ausgespuckt? Wie praktisch, hier sind wir doch genau da, wo wir hinwollten.«
Schön, dass ich jetzt auch erfahre, dass ich nicht ins Himmelreich fahre, sondern vor Gericht gestellt werde. Wenn das nur mal gut geht. Hoffentlich schauen die nicht nach, wie oft ich vor dem Essen bete. Ob es meine Zeit auf dem katholischen Mädcheninternat vielleicht rausreißen kann?
»Engelbert hat es wohl nicht mehr geschafft, das Tor zu erreichen. Nun, wir werden bestimmt auch ohne ihn weiterkommen, nicht wahr?«, bemerkt Petrus.
Engelbert ist also zurückgeblieben? Wenn das mal keine Absicht von dem kleinen, geflügelten Feigling war. Nicht, dass ich den kleinen Bürokraten besonders ins Herz geschlossen hätte, aber dass er sich nicht einmal von mir verabschiedet hat, wurmt mich zugegebenermaßen doch ein wenig. Wenn es selbst im Himmel keine Höflichkeit mehr gibt, wo denn dann?
»Haaaallooo? Ist hier jemand?«, ruft Petrus mit lauter Stimme in den Raum. »Ich bin es, Petrus!«
»Petrus, altes Haus! Dich habe ich eine Ewigkeit nicht mehr gesehen«, erklingt eine tiefe, dröhnende Stimme aus der oberen Hälfte des Raumes. Aufgrund des gewaltigen Widerhalls in dem Saal, kann ich unmöglich bestimmen, woher genau sie kommt. »Wartet einen Moment, ich komme zu euch herunter.«
Es ertönt ein lautes Poltern und ich vernehme Schritte, die näher zu kommen scheinen. Wie aus dem Nichts taucht direkt vor uns ein Mann auf. Er ist in eine weiße, wallende Toga gehüllt, die anscheinend vom gleichen Designer stammt wie Petrus‘. Von modischer Vielfalt scheint man hier oben nichts zu halten. Sein Gesicht ist von einem dichten Bart bedeckt, der ihm trotz griechischer Gelehrten-Toga einen barbarischen Zug verleiht. Obwohl er aussieht, als wäre er noch weitaus älter als Petrus, ist sein Haar von dunkelbrauner Farbe und reicht ihm fast bis auf die Hüften herab. Nur hier und da blitzen einzelne graue Strähnchen durch. Das Haar, mit dem er die Idealbesetzung für jeden Shampoo-Werbespot wäre, wird von einem weißen Panamahut gekrönt. Ja, ich wundere mich auch darüber, aber er trägt wirklich einen. Der Panamahut ist ein wahrer Klassiker, der sich seit Jahrzehnten hält und sowohl von Mann als auch Frau getragen werden kann. Ich habe selbst einen, der gerade auf Reisen ungeheuer praktisch ist. Selbst nach einem zwölfstündigen Flug kann man seinem ruinierten Aussehen mit so einem Hut eine gewisse Lässigkeit verleihen. Da bekommt man automatisch einen gewissen schriftstellerischen Charme und Leute stören sich weder an zerknitterter Kleidung noch daran, dass man während der Reise eine starken Eigengeruch entwickelt hat.
»Samson, welch eine Freude dich wohlauf zu sehen! Du wirst dich wundern, mit welch spannendem Fall ich dich diesmal aufsuche.« Petrus winkt mich zu sich heran, ehe er fortfährt. »Das ist Monique. Bernd hat sie heute Morgen als vermeintlich ganz gewöhnliche Mortatin aufgenommen. Mittlerweile hat sich aber herausgestellt, dass es sich um ein ausgesprochen dummes Missverständnis gehandelt hat. Eigentlich sollte sie heute noch gar nicht sterben, aber der Tod hat sie sich aus Versehen geholt.«
»Hm, aus Versehen, sagst du? Ich könnte mir vorstellen, dass der Gevatter es einfach leid war, immer nur alte Schachteln zu holen und der Versuchung mal wieder eine junge, überaus attraktive Dame sterben zu lassen, nicht widerstehen konnte«, entgegnet Samson und wirft mir einen anzüglichen Blick zu. »Ich sehe schon, das ist ein Fall für den Himmlischen Rat. Ich war zwar gerade dabei, einen kurzen Abstecher Richtung Sonne zu machen, aber das hat eindeutig Vorrang,« schnauft er missmutig. Dabei schaut er mich an, als hätte ich ihm gerade
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