Schoen wie Kaesekuchen
würde sie sich mit kleinen Saugnäpfen in meinem Mund festhalten. Der anfänglich neutrale Geschmack ist verflogen und in meinem Mund entfalten sich die verschiedensten abartigen Aromen. Essig wechselt sich mit Toilettenwasser ab, geht über zu Schimmel und mundet im vollmundigen Geschmack der Verwesung. Während ich vergeblich versuche, das Bonbon auszuspucken, das sich mit aller Macht an meiner Zunge festklammert, stürme ich ins Bad. Mit letzter Kraft lasse ich mich vor der Kloschüssel nieder. Ich spüre, wie sich mein Magen angesichts der unzumutbaren Geschmäcker, die ich ihm offeriere, wütend aufbäumt und seinen Inhalt bedenklich weit in meiner Speiseröhre nach oben schiebt.
Nach einem ungleichen Kampf gewinnt der Magen und fast dankbar übergebe ich meinen Mageninhalt und das Teufelsbonbon den Fluten der Berliner Kanalisation. Erleichtert lasse ich mich neben der offenen Toilettenschüssel zu Boden sinken und atme erst einmal tief durch. Mit einem Fetzen Klopapier wische ich mir den Schweiß und die letzten Reste dessen aus dem Gesicht, was die Bezeichnung Bonbon wirklich nicht verdient hat. Nach einer kurzen Verschnaufpause stehe ich mit wackeligen Beinen auf, betätige die Spülung und halte mein Gesicht unter den Wasserhahn. Schon besser. Ich greife nach meiner Zahnbürste und schrubbe Zähne und Mund, bis ich das Gefühl habe, auch mein komplettes Zahnfleisch mit weggeputzt zu haben. Anschließend gehe ich in die Küche. Schließlich will ich wissen, ob der Genuss dieses undefinierbaren Dings mir wenigstens meinen Geschmackssinn zurückgebracht hat. Es kostet mich einige Überwindung, in den verlockend rotbackigen Apfel zu beißen, der mir so verführerisch erscheint, als würde er mir von der bösen Stiefmutter persönlich angeboten. Beherzt schlage ich meine Zähne hinein und stelle erleichtert fest, dass der Apfel wirklich genau wie ein Apfel schmeckt. Nicht mehr und nicht weniger, nur ein Apfel.
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Zu gerne würde ich mich heute noch ein wenig von den Strapazen der letzten Tage erholen und zur Frustbewältigung Etiennes Habseligkeiten abfackeln, aber das kann noch bis heute Abend warten. Ich muss unbedingt ins Geschäft und die Majowski davon überzeugen, dass nicht ich die falschen Stücke an unsere Kunden rausgeschickt habe. Ich höre mir noch einmal die Aufnahme auf dem iPhone an, atme tief durch und mache mich auf den Weg, um meinen Job zu retten.
Wie in Trance fahre ich die gewohnte Strecke mit dem Auto ins Büro und als ich mein Mini Cabrio auf dem Parkplatz abstelle, habe ich mir genau zurecht gelegt, was ich meiner Chefin sagen werde. Ich überprüfe mein Aussehen noch einmal im Rückspiegel, nehme meinen ganzen Mut zusammen und gehe hoch ins Geschäft.
Kaum betrete ich den Laden, stoße ich auch schon fast mit Wanda zusammen, die mich überrascht ansieht. »Na, du hast ja Nerven, dich hier blicken zu lassen. Die Chefin ist gar nicht gut auf dich zu sprechen. An deiner Stelle würde ich zusehen, dass ich mich aus dem Staub mache«, begrüßt sie mich herzlich.
Böse funkele ich sie an. »Zum einen bist du nicht an meiner Stelle und zum anderen frage ich mich, wann ich dir erlaubt habe mich zu duzen. Ist die Chefin schon da?«, weise ich das freche Ding zurecht.
»Ja, Frau Majowski ist da«, antwortet sie mir bedeutend kleinlauter. »Aber ich würde trotzdem nicht ...«
»Es interessiert mich nicht, was du würdest«, unterbreche ich sie. »Du kannst übrigens schon einmal deine Sachen packen. Ich denke nicht, dass du noch länger hier sein wirst.«
Irritiert schaut sie mich an, ehe sie selbstsicher entgegnet: »Ich verstehe nicht, was Sie meinen, Monique. Das wird wohl eher Ihr letzter Tag hier sein.«
»Dass du dich da mal nicht täuschst.« Wissend lächele ich ihr zu und genieße es einen Augenblick, die Verunsicherung in Ihrem Gesicht zu lesen, ehe ich den Weg zu meiner Chefin fortsetze.
Zögerlich trete ich näher. Hoffentlich hat sie heute etwas bessere Laune als sonst. Ihre in Falten gelegte Stirn lässt allerdings anderes erwarten. Ich räuspere mich leise, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Missmutig schaut sie auf und als sie mich erkennt, tritt ein überraschter Ausdruck in ihr Gesicht.
»Guten Morgen, Frau Majowski.«
»Monique?« Ungläubig schaut sie mich an und die Überraschung weicht der aufsteigenden Wut. Diesen Gesichtsausdruck kenne ich nur all zu gut. Schon öffnet Sie Ihren Mund, um mich in Grund und Boden zu brüllen, als ich ihr schnell
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