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Schoen wie Kaesekuchen

Schoen wie Kaesekuchen

Titel: Schoen wie Kaesekuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily van Hill
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gäbe es auf der Welt nicht schon genug Elend. Richtig enttäuscht sehen die aus, dass der LKW Sie nicht erwischt hat.« Verständnisvoll tätschelt sie mir die Schulter. Erst jetzt geht mir auf, dass ich hier neben einer dieser traurigen Vorstadt-Muttis stehe und vertrauensvoll meinen Kopf an ihre beeindruckend breiten Schultern lehne. Entsetzt befreie ich mich aus der mütterlichen Umarmung, rappele mich auf und gehe sicherheitshalber einen Schritt zurück. Jetzt habe ich Zeit, um die Frau in Ruhe zu begutachten.
    Huh, genauso habe ich sie mir vorgestellt. Die Frau ist etwa 165 Zentimeter groß, Mitte 30 und von ausgesprochen kräftiger Statur. Ihre schulterlangen, straßenköterblonden Haare sind nachlässig zu einem Pferdeschwanz gebunden, aus dem sich zahlreiche Strähnen befreit haben, die ihr ins Gesicht fallen. Ihr freundliches Lächeln kann mich nicht davon ablenken, dass sie für ihr Alter schon ziemlich abgespannt und verhärmt aussieht. Mit ein wenig Make-up wäre da vielleicht noch etwas zu machen, aber so gänzlich ungeschminkt, wie sie jetzt vor mir steht, dreht sich bestimmt kein Mann nach ihr um. Zur schlecht sitzenden Billig-Jeans trägt sie ein verwaschenes hellrotes T-Shirt mit Blümchenprint, auf dem ein großer Fleck prangt. Als sie bemerkt, dass ich sie abschätzig mustere und mein Blick etwas zu lange an dem Fleck haften bleibt, über dessen Ursprung ich lieber nichts Genaues wissen will, erklärt sie: »Wissen Sie, meine kleine Luisa wollte ihr Frühstück heute einfach nicht bei sich behalten und ich habe schlichtweg vergessen, mir ein Shirt zum Wechseln einzupacken.« Entschuldigend weist sie auf den Kinderwagen, der neben uns auf dem Bürgersteig steht und aus dem zufriedenes Schnarchen zu hören ist.
    »Äh ja, das kann uns doch allen passieren.« Natürlich stimmt das nicht. Ich würde niemals in einem versabberten T-Shirt durch die Gegend laufen. Als gäbe es keine Geschäfte, in denen man ein neues kaufen könnte.
    Dabei fällt mir ein, wie spät ist es eigentlich? Ein Blick auf mein immer noch intaktes iPhone bestärkt mich in dem Gefühl, dass es immer noch früh am Vormittag ist. So ein Glück aber auch. Da habe ich mir diese ganze Sache wohl doch nur eingebildet. Haha, das wäre ja auch wirklich wie in einem schlechten Film gewesen. Trotzdem sollte ich in den nächsten Tagen bei einem Arzt vorbeischauen, damit der sich meinen Kopf etwas genauer ansieht. Aber das hat Zeit bis die Fashion Week vorbei ist. Apropos Fashion Week, wie werde ich diese schlecht gekleidete Frau wieder los?
    »Also danke noch mal, dass Sie sich nach meinem Beinahe-Unfall um mich gekümmert haben. Es ist ja nichts weiter passiert. Kann ich mich vielleicht irgendwie bei Ihnen erkenntlich zeigen?« Ich werfe einen aussagekräftigen Blick in Richtung des schäbigen Kinderwagens, geschätztes Baujahr 1980, in dem die kleine Luisa noch immer seelenruhig vor sich hin schlummert.
    Beschämt wendet die Frau den Blick ab, bevor sie mir antwortet: »Danke, das ist sehr nett von Ihnen, aber wir kommen schon klar. Außerdem war das selbstverständlich. Ich konnte Sie doch nicht einfach liegen lassen.«
    Das wundert mich jetzt wirklich. Sie sieht absolut nicht so aus, als würde sie im Geld schwimmen. Wie kann sie mein großzügiges Angebot da einfach ablehnen? Ist das vielleicht so eine Alternative, die den Konsum verteufelt und sich ihr Essen in Mülleimern sucht? Über so Typen habe ich erst neulich eine Reportage gesehen. Die Frau geht zum Kinderwagen und schaut liebevoll auf den kleinen Schreihals herab.
    »Wir können vielleicht mal zusammen einen Kaffee trinken gehen«, schlägt sie vor und kramt aus der Tasche, die am Kinderwagen hängt, ein Stück Papier und einen Stift hervor. Schnell kritzelt sie mir Namen und Adresse auf, während ich krampfhaft überlege, wo ich mit dieser Frau hingehen könnte, ohne von irgendwem gesehen zu werden.
    »Ich bin übrigens Connie,« stellt sie sich vor und überreicht mir feierlich das Stück Papier. »Rufen Sie einfach an, wenn Sie Zeit und Lust haben. Ich freu‘ mich immer, wenn ich mal rauskomme.«
    »Ja, klar, das machen wir auf jeden Fall«, lüge ich und beschließe ihr eine anonyme Geldspende zukommen zu lassen. »Ich bin Monique. Und danke noch mal.«
    Gezwungener Maßen beuge ich mich zum Abschied über den Kinderwagen, um die kleine Luisa so gebührend zu bewundern, wie es stolze Muttertiere von einem erwarten. Sieht für ein Kind recht niedlich aus, muss ich zugeben

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