Schönbuchrauschen
zwei Monaten.«
»Und was war er?«
»Ein junger Arzt, Jahrgang 1976.«
»Danke.«
Kupfer pfiff durch die Zähne.
»Neue Erkenntnisse?«, fragte Feinäugle.
»Der Lipp ist tot, er wurde bei einem Autounfall im Stuttgarter Westen schwer verletzt und ist seinen Verletzungen erlegen«, sagte Kupfer knapp.
»Dann haben wir es also mit einem besonderen Fall von Erbschaft zu tun?«
Kupfer antwortete nichts, aber Feinäugle sah ihm an, dass ihm ein Licht aufging.
»Ach so ist das«, sagte Kupfer zu sich selbst und signalisierte seinem Kollegen mit einer Handbewegung, dass er sich gedulden sollte. Er rief das Rettungszentrum in Stuttgart-Degerloch an.
»Da ist doch vor ein paar Wochen beim Westbahnhof ein gewisser Ferdinand Lipp verunglückt … Was sagen Sie? Mit einem Golf GTI unter einen Bierlaster gefahren? … Sie erinnern sich … Ist jemand von Ihnen den Rettungseinsatz gefahren? … Ja, ich warte. … Ach, so was. Ja, das hilft uns weiter. Wissen Sie, wie alt er ungefähr war? … Herr Egeler soll mich bitte so bald wie möglich anrufen. … Danke.«
»So ein Hund«, sagte Kupfer und ließ sich auf dem Sofa nieder.
»Jetzt spuck’s schon aus«, drängte Feinäugle.
»Theo Krumm war einer der beiden Sanitäter, die den Rettungseinsatz gefahren haben, als dieser Lipp verunglückt ist. So viel steht fest. Die beiden waren gleich alt. Krumm könnte Lipp gekannt haben. Vielleicht waren sie Schulkameraden oder so was.«
»Und vielleicht wollte der talentierte Theo Krumm ab dem Unfalltag ein anderer sein, siehe Unterschriftsübungen.«
»Das sieht ganz so aus. Stell dir vor, Krumm hat sich offensichtlich genau das gleiche Auto gekauft, wie Lipp eins gefahren hat.«
»Dann wollte er seinen Lebensstil imitieren. Gleiches Auto, gleiche Unterschrift – das ist schon fast ein halber Identitätsklau.«
Feinäugle schaltete die Spiegelreflexkamera ein.
»Mal sehen, was er aufgenommen hat.«
Er schaute interessiert auf das Display.
»Sieh mal an: lauter unfertige Wohnungen. Eine neue Behausung sollte wohl auch zum neuen Lifestyle gehören«, sagte er enttäuscht. Dann lächelte er auf einmal und brummte anerkennend.
»Hmm. Hübsch. Die ist ja richtig attraktiv«, sagte er und zeigte Kupfer das Foto einer aparten jungen Frau mit grünblauen Augen und kastanienbraunen Haaren, die fröhlich in die Kamera lächelte. Der Grund ihrer guten Laune lag eindeutig auf der Hand. Die junge Dame befand sich in einer leeren Wohnung, die sie zu besichtigen schien. Der Parkettboden glänzte, die Wände waren makellos, durch die Balkontür schien die Sonne herein. Auf einem Bild stand sie mit ausgebreiteten Armen in der Mitte des Zimmers und schien, vom Raumgefühl euphorisiert, eine Art Pirouette zu drehen. Sie war schlank und wirkte sportlich und geschmeidig. Es gab von der Wohnungsbesichtigung mit dieser Frau eine ganze Bildserie, und ein letztes Bild zeigte Krumm selbst, wie er auf einem Balkon stand, sich leicht über das Geländer lehnte und breit grinste. Die Aufnahme war wohl von einem Vorgarten aus gemacht worden. Die Wohnung lag im ersten Stock.
»Das muss diese Laura Hensler sein, von der Krumms Mutter geredet hat. Die beiden wollten jetzt also doch zusammenziehen. Die junge Frau müssen wir uns einmal anschauen.«
»Von wann sind diese Aufnahmen?«
Feinäugle drückte auf den Info-Knopf.
»Alle von Anfang Oktober«, sagte er nach einer Weile. »Nicht uninteressant!«
Sie nahmen die beiden Blechkisten samt Inhalt mit und versiegelten die Wohnung.
»Mit dem Rest soll sich die Spusi beschäftigen.«
8
Am liebsten wäre Kupfer direkt zur Volksbank in der Stadtgrabenstraße gefahren, um sich nach den Bewegungen auf Ferdinand Lipps Konto zu erkundigen. Aber er musste zwei Tage warten, bis er die richterliche Aufhebung des Bankgeheimnisses bekam. Das Warten hatte sich gelohnt. Die Auskunft war aufschlussreich. Der Tod des Kontoinhabers war der Bank noch nicht gemeldet worden, und die regelmäßigen Beträge waren weiter auf dem Konto eingegangen.
»Das war kein Gehaltskonto«, erklärte der Filialleiter. »Die Eingänge waren Mieteinnahmen von Häusern im Stuttgarter Süden, soweit ich informiert bin.«
Auffällig sei allenfalls, dass in den letzten Wochen ungewöhnlich viele hohe Beträge per Homebanking an verschiedene Firmen überwiesen worden seien. Da aber das Konto dadurch bei weitem noch nicht überzogen wurde, habe man darin nichts Außergewöhnliches gesehen. Schließlich komme es häufig vor, dass ein
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