Schöne Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
schwitzender Erotik, und Lisa hatte eine Ahnung, warum Mike Warburg, laut Au s kunft von Xaver stolz, gut im Geschäft war.
Der Meister selbst war schwer beschäftigt und hörte seine Besucher nicht kommen. Mit einer Schutzbrille ausgestattet beugte er sich über eine Arbeitsplatte vor einem der Fenster, den Schweißbrenner in beiden Händen, in höchster Konzentr a tion. Es war unklar, was er da bearbeitete, aber es war keine menschliche Figur. Das Fauchen des Geräts vermischte sich mit dem Brandgeruch des Metalls. Automatisch beschlossen Lisa und Fabian, Warburg nicht zu stören und zu warten, bis er seine Kunst vollendet hatte.
Nach etwa zwei Minuten schaltete er ab und dreht sich um. Er zuckte kurz, war aber nicht besonders überrascht.
„Hallo“, grüßte er freundlich, „schauen Sie sich ruhig um. Bis auf die Madonna da hinten“ – er wies auf eine kugelrunde Frauenfigur auf einem der Tische – „ist alles zu haben.“
„Guten Tag“, sagte Lisa, „wir sind vom Landeskriminalamt. Herr Warburg?“
„In voller Schönheit“, lächelte er, ohne besondere Gefühle zu zeigen.
Lisa wollte ihm nicht widersprechen. Hübscher Bengel , dachte sie, den würde ich nicht aus dem Schlafsack schme i ßen.
Mike Warburg war vermutlich nicht älter als 25, sehr schlank, wenn auch nicht sehr groß, mit widerspenstigen blonden Haaren und einem verwegenen Blick in den blauen Augen, die ihn zum perfekten Schwiegersohn gemacht hätten. Seine Arbeitsklamotten waren erstaunlich sauber – dieser Künstler arbeitete nicht mit Farben. Er legte seinen Feuersp u cker auf die Arbeitsplatte und verschränkte die Arme.
„Was liegt an? Was es auch ist, ich bin unschuldig!“
„Wir ermitteln in einem Mordfall“, erklärte Fabian. Er zei g te ihm seinen Ausweis, ebenso wie Lisa. „Sie könnten uns eventuell helfen.“
Warburg sah ihm ruhig in die Augen. „Ich helfe Ihnen sehr gerne“, sagte er ausdruckslos.
Lisa fragte ihn nach seinem Alibis für die vorvergangene Nacht. Er zuckte nur mit den Schultern.
„Ich habe keins. War zu Hause, hab geschlafen. Ich bin kein Nachtmensch, gehe nicht so viel weg.“
„Ungewöhnlich für einen jungen Mann in Berlin“, stellte Fabian fest.
„Es ist nicht Aufgabe von Künstlern, sich wie jeder andere zu verhalten.“
Mmmmm… schmachtete Lisa im Stillen. Schnucklig und was in der Birne. Haben ! H aben ! H aben! Dann fiel ihr ein: Ach stimmt, hab ich ja schon.
„Herr Stolz sagte uns, dass Sie mit diesem speziellen Sil i kon arbeiten, für Ihre Skulpturen. Können Sie uns etwas da r über sagen? “
Sie reichte Warburg das Datenblatt. Der überflog es kurz.
„Ja, das Zeug ist astrein“, bestätigte er. Er ging rüber zu einem billigen Spanplatten-Kleiderschrank in einer Ecke und holte zwei Plastikeimer heraus, einer weiß, einer grün . Er pla t zierte sie auf der Arbeitsplatte.
„Es besteht aus zwei Komponenten“, erklärte der Künstler. „Man muss sie zusammenrühren und dann schnell verarbe i ten, nach gut zehn Minuten ist es dann ausgehärtet.“
Fabian hielt sich zurück und überließ Lisa das Prozedere. Er beschränkte sich darauf, Warburg ruhig und mit gesundem Misstrauen zu taxieren. Es war nicht Guter Bulle – Böser Bulle , sondern das subtilere Guter Bulle – Unberechenbarer Bulle.
„Wie genau läuft das?“ fragte Lisa.
„Ich könnte es Ihnen zeigen, wenn Sie eine halbe Stunde Zeit haben“, sagte Warburg mit gebremsten Enthusiasmus, „ich wollte sowieso gerade eine neue Form machen.“
„Das wäre nett. Wie lange dauert das?“
„ Höchstens ‘ne halbe Stunde.“
Und so weihte der junge Künstler die beiden Ermittler in den Vorgang des Bildgießens ein. Warburg hatte eine Gipsst a tuette fertig, die auf den ersten Blick aussah wie ein Hund, sich bei näherer Betrachtung jedoch als eine Art Penis mit Be i nen herausstellte.
„Wer kauft denn so einen Penis mit Beinen?“ wunderte sich Lisa.
Warburg grinste. „Das klingt gar nicht so schlecht, danke für den Tip. Im Übrigens handelt es sich hier um einen Nacktmull. Das ist ein haarloses Säugetier, das unter der Erde in Kolonien lebt.“
„Sie machen auch Tiere?“ fragte Lisa so lässig wie mö g lich. Überall sehe ich Penisse. Schwänze und Ärsche, das ist alles, woran ich denken kann.
„Ich mach alles, was mir gefällt und was sich verkaufen lässt. Natürlich nicht einfach nur so. Ich lege Wert auf eine gewisse Verfremdung. Ich weiß nicht, ob Ihnen Neue Sachlic h keit irgendwas
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