Schöne Zeit der jungen Liebe
dann Gaylord zu. »Du, warte bitte nicht zu lange mit dem Anruf bei Liz. Ich habe nicht allzuviel Zeit.«
Ob ich lieber mal raufgehe und mit Amanda rede? dachte May. Nein - ihr Vater hat ganz recht. Es würde ihr guttun, eine Weile lang in sich zu gehen.
Aber May irrte sich. Amanda dachte nicht daran, in sich zu gehen. Sie hatte sich in Christines Zimmer geschlichen und suchte nach Christines Adresse in Deutschland. Sie fand sie im Kofferdeckel. Sie schrieb sie sorgfältig ab, ging dann in ihr eigenes Zimmer, nahm eine mit Narzissen geschmückte Briefkarte und schrieb:
Cypresses Farm
Shepherd’s Warning
Derbyshire
Sehr geehrte Mrs. Haldt, Ihre Tochter ist nicht im Harz. Das ist alles gelogen! Sie ist nämlich hier!!!
Hochachtungsvoll
Amanda Pentecost
Sie schrieb die Adresse auf den Umschlag, klebte ihn zu und nahm sich vor, den Brief schnell einzustecken, bevor ihr Gewissen sich meldete.
Aber wie konnte sie ihn einstecken, da Daddy sie doch zu Hausarrest verurteilt hatte? Nun, irgendein Ausweg fand sich stets. Noch immer voller Zorn sah sie sich in ihrem Zimmer um. Ihr Blick fiel auf das Bettlaken.
Liz mußte wieder einmal feststellen, daß Liebeskummer ihren Appetit keineswegs dämpfte. Sie kochte zwei Eier, bestrich drei Scheiben Brot mit Butter, legte die Eier in ein Nest aus Tomaten und Salat und Gurken und Radieschen, fand noch einen Rest Apfelkuchen und öffnete eine Flasche Coca-Cola. Dann trug sie alles in den Garten hinaus, setzte sich in die kleine Laube und fing an zu essen. Sie überlegte, was Gaylord und Christine jetzt wohl machten. Ob sie sich wohl küßten draußen in der warmen Sommersonne...
Plötzlich hörte sie wie aus weiter Ferne ein Geräusch, das die Mittagsstille rings um sie her zerriß. Es dauerte eine Weile, bis ihr bewußt wurde, was es war. Sie rannte durch den Garten ins Haus. Das Telefon klingelte immer weiter, gleichmäßig und beharrlich - und hörte in dem Augenblick auf, als sie die Hintertür erreichte. Sie stürzte ins Haus, riß den Hörer ans Ohr und schrie: »Hallo! Hallo...?!« Nichts. Nur das normale Freizeichen.
Sie legte den Hörer auf und taumelte in den Garten hinaus. Sie weinte nicht, aber eine Träne lief ihr über die Wange. Sicher, es stand gar nicht fest, daß es Gaylord gewesen war. Aber wenn er es nun doch gewesen war? Wenn er sie bitten wollte zu kommen! Vielleicht liebte er das deutsche Mädchen gar nicht!
Wieder klingelte das Telefon. Sie rannte ins Haus und nahm den Hörer ab. Ihr Herz schlug so laut, daß er es am anderen Ende der Leitung hören mußte.
»Hallo - Liz? Ich dachte schon, du wärst nicht da«, sagte Gaylord etwas vorwurfsvoll. »Ich habe eben schon einmal angerufen.«
»Ja, ich war im Garten - ich bin gerannt, aber du warst schon weg.«
»Na ja, macht ja auch nichts. Willst du nicht rüberkommen zum Tennis?«
»Oh, Gaylord, schrecklich gern. Wann? Jetzt gleich?«
»Ja. Nimm dein Rad und komm ganz schnell!«
Liz lief in den Garten, stopfte sich das zweite Ei und eine Gurkenscheibe in den Mund, stürzte das Glas Coca-Cola hinunter, nahm das Tablett, brachte es im Laufschritt in die Küche, zog sich ihre Tennissachen an, band sich das Haar zu einem Pferdeschwanz und saß auch schon glücklich singend auf dem Fahrrad -in weniger als fünf Minuten.
Sie wußte nicht, was mit dem deutschen Mädchen los war, jedenfalls hatte Gaylord heute nachmittag offenbar nichts mit ihr vor. Vielleicht war er gar nicht in Christine verliebt! Sie dachte wieder an den Abend, als er sie, Liz, so angesehen hatte - vielleicht hatte da doch irgend etwas klick in ihm gemacht!
Der Fluß tanzte und plätscherte. Die Lerchen kreisten auf unsichtbaren Spiralen in den Himmel empor und sangen und sangen... Und auch Liz sang, während sie die Pedalen trat, auf und ab, auf und ab, immer weiter durch den hellen Sommertag. Dort drüben kam schon das Haus der Pentecosts in Sicht, und gleich würde sie Gaylord sehen...
Ja, da war er! Auf dem Tennisplatz. Mit zwei anderen. Ihr Herz sank. Und es sank noch tiefer, als sie die beiden erkannte: den eingebildeten Roger Miles und Christine. Sie war drauf und dran umzukehren, doch da entdeckte Roger Miles sie auf der Straße. Er hielt die Hände trichterförmig an den Mund und rief: »Schnell, komm, wir warten schon auf dich!«
9
John Pentecost ging gebeugt in den Obstgarten und ließ sich müde in einen Liegestuhl sinken, um seine Siesta zu halten. In der warmen
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