Schöne Zeit der jungen Liebe
hinunterging. Er schenkte sich noch einmal Tee ein und stellte die Kanne so energisch auf den Untersatz, daß sie klapperte. Versehentlich, natürlich. Hoffentlich war Liz nun nicht aufgewacht. Nein. Sie war nicht aufgewacht.
Seine Gedanken wanderten zurück zu seiner Frau. Rachel war bestimmt sehr rücksichtsvoll gewesen, aber sie hatte seine verschiedenen Leiden und Kümmernisse nie ganz so ernst genommen, wie sie es verdienten. Er dachte an May Pentecost. Eine vollkommene Ehefrau und Mutter! Nun ja, sie hatte ihm gezeigt, was geschah, wenn man in eine andere, glückliche Ehe einbrach. Die gute May! Aber sie konnte ganz schön kräftig zuschlagen! Hoffentlich war es nun nicht aus mit seiner Freundschaft mit den Pentecosts - das wäre ein Jammer. Außerdem mußte er das Bild fertigmalen.
Er dachte auch an Mrs. Haldt, die er bestimmt gern gemalt hätte. Schade, daß sie so schnell wieder aus seinem Leben verschwunden war. Eine großartige Frau! Zart, weiblich, bezaubernd. Wie behutsam sie seine verletzte Nase berührt hatte! Eine Frau, die ihrem Mann gewiß in guten wie in bösen Tagen treu zur Seite stand. All die vielen Frauen...!
Und er saß um ein Uhr morgens in seiner Küche, einsam und ohne Trost.
13
Am nächsten Morgen gab es eine Reihe Überraschungen. Zunächst war Gaylord überrascht, als er feststellen mußte, daß er sich trotz seines Kummers körperlich sehr wohl fühlte. Gestern abend hatte er gedacht, er werde sich kaum von seinem Bett erheben können. Und nun saß er schon am frühen Morgen auf dem Rad und fuhr nach Ingerby. Wäre nicht der Kummer gewesen, hätte er die Fahrt richtig genossen.
Sehr überrascht, ja wie vom Donner gerührt war Christine Haldt, als Punkt acht Uhr früh Roger Miles in weißer Leinenjacke und mit einem Tablett in der Hand in ihr Hotelzimmer trat. Und Roger Miles war ebenso überrascht, als das Haargewuschel auf dem Kopfkissen von Nr. 17 sich teilte und das erstaunte, aber reizende Gesicht von Christine Haldt enthüllte.
Sie zog die Bettdecke bis ans Kinn hoch. »Roger, was machen Sie in meinem Zimmer?« fragte sie.
»Ich bringe Ihnen den Tee. Ich helfe hier bei der Morgenrunde aus. Das Hotel gehört meinem Vater«, erklärte Roger. »Aber -wieso sind Sie nicht mehr bei den Pentecosts?« Er war jetzt nicht mehr überrascht, sondern nur noch entzückt. Er stellte das Tablett auf den Nachttisch, setzte sich auf die Bettkante und ergriff die Teekanne. »So - jetzt schenke ich Ihnen eine Tasse Tee ein, ja?«
»Roger, das gehört sich nicht. Außerdem habe ich keinen Tee bestellt, das muß ein Irrtum sein. Bitte gehen Sie.«
»Das kann ich nicht. Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.«
Von der Tür her ertönte eine strenge Stimme. »Seltsame Sitten sind das in England! Der Page setzt sich auf die Bettkante und schenkt weiblichen Hotelgästen den Tee ein.«
Gelassen erhob sich Roger und sagte freundlich: »Ich bin nicht der Page, Madame. Ich bin der Sohn des Hotelbesitzers.«
»Mutti, das ist Roger Miles. Ein Freund von Gaylord Pentecost.«
»Aha. Und vermutlich auch ein Cousin der Königin«, meinte Mrs. Haldt sarkastisch.
»Und das ist meine Mutter«, fuhr Christine fort. »Sie bringt mich nach Deutschland zurück.«
Roger verbeugte sich. »Aber, Madame, Sie können doch nicht so grausam sein, uns Ihre Tochter wegzunehmen? «
»Und ob ich das kann! Und jetzt seien Sie bitte so freundlich, das Zimmer zu verlassen.«
Gaylord tat, was jeder Liebende in seiner Lage getan hätte: Er drehte das Messer in seinem Herzen, indem er nach Ingerby fuhr, um das geliebte Mädchen abreisen zu sehen. In der Nacht hatte er ein Dutzend Pläne erwogen, von dem Versuch, Mrs. Haldt durch Bitten zu erweichen, bis zu einer Entführung. Nichts bot Aussicht auf Erfolg. So stand er jetzt, auf sein Fahrrad gestützt, auf dem Marktplatz von Ingerby und beobachtete den Eingang des Hotels Zum Schwan.
Er hatte kaum fünf Minuten gewartet, da fuhr ein Taxi vor, und der Portier trug mehrere Koffer und Skisachen heraus. Dann erschienen Christine und ihre Mutter. Christine stieg in das Taxi, die Mutter wollte dem Portier noch ein Trinkgeld geben. Er konnte Christine also wenigstens noch ein Wort zurufen... Und wenn er nur sagen konnte: Schreib mir! Vielleicht war sogar noch Zeit für einen flüchtigen Kuß -einen Kuß, dachte er in bitterem Schmerz, der für ein ganzes Leben reichen mußte.
Hastig trat er vom Bürgersteig hinunter - und ein offener Rolls-Royce drehte
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