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Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Titel: Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoît B. Mandelbrot
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bezweifle, dass irgendjemand je von den äußerst obskuren Sitzungsprotokollen dieser Tagung gehört hat. Wie lange hat es beispielsweise gedauert, bis die »normale« Forschung ebenfalls auf meine Ergebnisse kam? Eine Formel, die ich in selbstloser Bescheidenheit als »Szilard-Ungleichheit« bezeichnet hatte, setzte sich erst Jahre später unter dem Namen »McMillan-Ungleichheit« in der Verschlüsselungstheorie durch. Bei anderen Formeln dauerte es Jahrzehnte, bis sie akzeptiert und übernommen wurden. Zu meinem großen Vergnügen bewies eine in dieser Arbeit ausgeführte lange und zähe Berechnung ihr Stehvermögen: Sie trat in einem weit umfassenderem interessanten Kontext auf … im Jahr 1995.
    Es war mir mein ganzes Leben lang von Vorteil, dass ich Henry P. McKean getroffen habe, der nach seinem Abschluss am IAS eine glänzende Karriere machte. Der Gegenstand seiner Dissertation war pure mathematische Geheimlehre. Einige Komplikationen und Schwierigkeiten kamen mir rätselhaft vor, weshalb ich nachfragte und sehr nützliche Unterstützung erhielt. Die Lektion prägte sich in mein Gedächtnis ein, und die sogenannte Hausdorff-Besikowitsch-Dimension der Werte Lévy-stabiler Prozesse wurde zu einem wesentlichen Teil der fraktalen Geometrie – sie führte zu jener Dimension, die berühmt werden sollte.

17
Paris
    (1954–1955)
    Da von Neumann das Institut in Princeton verließ, um nach Washington zu gehen, konnte ich dort nicht für das übliche zweite Jahr als Postdoktorand bleiben. Ich ging auf die 30 zu und fühlte mich bereit für eine reguläre Anstellung. Eine kurze Umschau in den USA ergab nichts, was mich gereizt hätte. Auch in Frankreich war keine Stelle in der Lehre in Sicht, aber eine exzellente Rückversicherung.

Gefördert vom Centre National de la Recherche Scientifique
    Tatsächlich hatte man vorsichtshalber eine vom Rat des CNRS bewilligte Forschungsstelle nicht gestrichen. Bei meiner Rückkehr vom Caltech war ich wegen meines Wehrdienstes sofort unbezahlt beurlaubt worden. Meine Beschäftigung bei Philips hatte keiner mitbekommen, und als ich am MIT und in Princeton war, hatte man die unbezahlte Beurlaubung automatisch verlängert.
    Ich traf den großen Boss vom CNRS persönlich und hörte, dass nicht nur eine bezahlte Stelle wartete, sondern auch eine Beförderung zum Maître de Recherches, der dritthöchsten von vier Rangstufen. Das CNRS war legendär bürokratisch; die offizielle Mitteilung war trotz der in Aussicht gestellten Beförderung alles andere als freundlich und wies in erster Linie darauf hin, welche Tätigkeiten alle verboten waren.
    Meinen Rang als Assistenzprofessor für die Forschung sollte ich behalten, bis eine Professur in der Lehre frei wurde. Um meine Chancen zu verbessern, erbot ich mich freiwillig, Kurse pro bono publico (zum Wohl der Allgemeinheit) abzuhalten. Ich suchte nach einem Format, das nicht mit einer »richtigen« Lehrveranstaltung zu verwechseln war. Ich einigte mich mit einer unzutreffend so genannten »Forschungsgruppe«, die in meiner Brieftasche zu Hause war und in Vorlesungen zur Informationstheorie bestand, die ich abhielt und veröffentlichte. In der Forschung blieb ich weiterhin auf der Suche.
    Zufällig war Frankreich dank des Ministerpräsidenten Pierre Mendès-France (1907–1982) stark mit großem Polittheater beschäftigt. Später erzählte mir sein Sohn, der Mathematiker Michel, der Name sei auf einen Vorfahren namens Mendes zurückzuführen, der in Portugal gelebt und eine junge Dame mit dem Namen Francia geheiratet hatte. Auf der Flucht vor der Inquisition zogen sie nach Bordeaux, wo aus Francia France wurde. Der Spitzname PMF des Politikers war eine deutliche Anspielung auf Franklyn Delano Roosevelts FDR. Vor dem Krieg war Mendès ein junger Unterstaatssekretär gewesen, im Krieg dann Pilot und anschließend Minister de Gaulles in London. Unter den vielen französischen Ministerpräsidenten zwischen de Gaulle 1945 und de Gaulle 1958 wurde er am besten bewertet und bleibt in höchst angenehmer Erinnerung. Er war jedoch ein unverbesserlicher Einzelgänger und bekam nie eine Chance, das ganze Ausmaß seiner Talente zu zeigen.
    Unter normalen Umständen wäre es ihm niemals möglich gewesen, Premier zu werden. Doch kurz nachdem die Abordnung der Carva zu Ehren des vietnamesischen Führers Ho Chi Minh aufmarschiert war, waren die Verhältnisse absolut nicht mehr normal. Französische Regierungen hatten sich, ohne die Folgen zu bedenken, in einen

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