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Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Titel: Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoît B. Mandelbrot
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Kac: »Benoît ist ein echter Einzelgänger, ich dagegen bin es ganz und gar nicht. Ich bin ein überzeugter Konservativer, der versucht, intelligent zu handeln.«
    Jahre später beeinflusste er mein Leben nachhaltig, als er mir in entschiedenem Ton sagte, ich solle – anstelle weiterer nicht zusammenhängender Aufsätze – ein Buch schreiben. Das tat ich dann auch, zunächst (1975) auf Französisch. Er beurteilte die spätere englische Version von 1977 positiv. Im privaten Gespräch bekannte er jedoch, er hoffe, dass ich nicht die Schleusen für eine Flut von Unsinn öffnen werde – Ängste, die ich mit ihm teilte, denen ich mich aber stellen musste.

William Feller (1906–1970)
    William Feller traf ich zunächst kurz in Paris, dann 1953/54 in Princeton, 1955/56 in Genf und später – wiederholt –, wenn er IBM beriet. Er verdient hier einige Worte; nicht weil er ein Vorbild für mich wurde – definitiv nicht –, sondern weil man erwartete, dass er zu einem werden würde.
    Zunächst möchte ich ein paar Worte aus Joseph L. Doobs (1910–2004) Würdigung Fellers zitieren:
    Wer ihn persönlich kannte, erinnert sich vor allem an Fellers Begeisterungsfähigkeit, an die Freude, mit der er das Leben anging, und an den Eifer, mit dem er seinen unerschöpflichen Fundus an Anekdoten über das Leben und dessen Absurditäten und speziell die mit der Mathematik und den Mathematikern verbundenen Absurditäten ausbreitete. Es war ein einzigartiges Erlebnis, seinen Vorlesungen zuzuhören, denn niemand sonst konnte mit einer solchen Begeisterung vortragen.
    An der Universität Göttingen galt er als Wunderkind, und er erhielt seinen Doktortitel mit 20 Jahren. Wegen seines jüdischen Großvaters väterlicherseits musste Feller Deutschland verlassen. Die Wirtschaftsflaute führte ihn nach Stockholm zu Harald Cramér (1893–1985). Cramér liebte die reine Mathematik, aber er verdankte seine finanziellen Mittel der strikten gesetzlichen Regulierung der schwedischen Versicherungsbranche und musste seine Wohltäter zufrieden stellen. Feller machte das ebenso.
    In Schweden und später als Kollege von Mark Kac an der Cornell University wurde Feller zu einem äußerst effektiven Lehrer der Wahrscheinlichkeitstheorie, und sein wunderbares Lehrbuch war beliebt bei vielen Wissenschaftlern, die darauf vertrauten, dass die Mathematik in den Naturwissenschaften unvergleichlich nützlich war. Doch erstaunlicherweise verließ Feller seinen Weg und setzte sich abschätzig über dieses Vertrauen hinweg. In einem öffentlichen Interview bezeichnete er die Vorstellung, die berühmte Glockenkurve mathematischer Fehler repräsentiere irgend etwas Konkretes, als betrügerisch. Er sprach ihr sogar jeglichen Wert beim sogenannten thermischen Rauschen ab – dort ist sie eine Stütze hervorragender Theorie und nicht infrage gestellter Praxis. Der Wahrscheinlichkeitstheorie verdankte er seine Karriere und sie machte ihn reich, doch es war nie wahre Liebe. Sie war ein Notbehelf, bis er mit dem Wechsel von der Cornell University nach Princeton zu reinerer Mathematik zurückkehren konnte – damals in einem goldenen Zeitalter.
    Meine bahnbrechende Arbeit von 1962 über die Kurse von Baumwolle und anderen Handelsgütern war mein erster Kepler-Hauptgewinn. Bald wurde sie mit Erschrecken zurückgewiesen. Feller gehörte zu denen, die sie ablehnten. Als ich einen frühen Aufsatz über Preise vorlegte, bat IBM Feller, ihn zu kommentieren. Er schmeichelte mir, indem er einen technischen Aspekt lobte, behauptete aber, was ich da vollbracht hatte, habe nichts mit der realen Welt zu tun. Mein Vorgesetzter bei IBM war deswegen sehr enttäuscht, und um mich zu retten, musste ich Fellers berüchtigten Artikel über die Glockenkurve und das thermische Rauschen präsentieren.
    Meiner Arbeit über Baumwollpreise folgte eine Arbeit über die niedrigen und hohen Wasserstände des Nils. Der brillante Harold Edwin Hurst (1880–1978) hatte eine Beziehung entdeckt, die jedermann als zutiefst rätselhaft bezeichnete. In einem Aufsatz würdigte Feller Hurst, griff dann aber sofort ein verwandtes Thema auf, mit dem er umgehen konnte – es führte zwar zu neuer Mathematik, war aber im Unterschied zu Hursts Entdeckung eindeutig traditionell.
    Nachdem die Hurst-Mandelbrot-Theorie das empirische Rätsel gelöst hatte, bat ich Feller, bei einem seiner IBM-Besuche in meinem Büro vorbeizuschauen. Offen gesagt brachte ich ihn aus der Fassung. Er begann erneut seine Überzeugung zu

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