Schönes Leben noch! (German Edition)
stampfte wie eine Zweijährige mit dem Fuß auf. „Verdammt, ich hasse das.“ Sie beäugte noch einmal die Notiz, die ihre Tante geschrieben hatte. „Ich werde hingehen, aber nur wenn ich zwei Desserts kriege. Eins vor dem Essen und eins danach.“
„Ich lege dir sogar die Karten, wenn du möchtest.“
Jill machte einen Schritt zurück. „Ich bin noch nicht bereit, etwas über meine Zukunft zu erfahren, aber danke für das Angebot.“ Sie sah sich ihre Hose an. „Ich muss mich umziehen. Ich hasse das.“
„Ich weiß, Schätzchen, aber es ist nur zu deinem Besten.“
„Das hast du auch immer gesagt, wenn ein Zahnarzttermin anstand.“
„Und? Habe ich mich geirrt?“
6. KAPITEL
D ie wichtigsten Events in Los Lobos fanden im Gemeindezentrum statt. Da bildete das Komitee zur Feier des hundertsten Geburtstags des Piers keine Ausnahme. Jill erlebte ein kleines Déjà-vu, als sie eine Seite der schweren Doppelglastür aufdrückte.
In diesem Gebäude hatte sie an Pfadfinderinnen-Treffen teilgenommen und den größten Raum für verschiedene Schulbälle dekoriert. Mit siebzehn hatte sie an einem verregneten Nachmittag auf dem Basketballfeld ihren ersten Kuss bekommen. Der beteiligte Junge – Kevin Denny – hatte seine Aufmerksamkeit schnell auf andere Dinge verlagert, aber für sie war dieser erste Kuss eine große Sache gewesen.
An diesem Abend war sie weniger begeistert davon, einen Schritt in einen Teil ihrer Vergangenheit zu machen. Zum einen, weil sie nicht wollte, dass man sie tatsächlich in die Vorbereitungen der Feierlichkeiten einband. Zum anderen, weil sie sich vor Fragen nach dem Grund für ihre Rückkehr, nach ihrem Wohlbefinden und nach ihren Zukunftsplänen fürchtete. Außerdem musste sie erst mal mit dem Achtundzwanzig-und-bald-geschieden-Syndrom klarkommen. Wie gern säße sie jetzt mit einem Becher Eis zu Hause vor einer DVD.
Doch da sie wusste, dass ihre Tante sie vorwurfsvoll ansähe, wenn sie zu früh zurückkäme, betrat sie das Gebäude und folgte dem Stimmengewirr bis zum zweiten Konferenzraum auf der rechten Seite. Als sie durch die Tür ging und in viel zu viele vertraute Gesichter blickte, spürte sie, wie jemand sie im Nacken kitzelte. Sie drehte sich um. Mac stand neben dem Kaffeespender. Er sah ihr in die Augen und warf ihr ein langsames, sexy Lächeln zu. Sogleich musste sie daran denken, dass sie sich vor ungefähr zweiundzwanzig Stunden geküsst hatten und sie mit dem Gedanken gespielt hatte, sich auf noch viel mehr einzulassen.
In dem schonungslosen Licht der Beinahe-Dämmerungwusste sie nicht, ob sie eine mondäne So-was-mache-ich-ständig-Haltung einnehmen oder lieber weglaufen und sich irgendwo verstecken sollte. Da ihr jedoch schnell klar wurde, dass sie nirgendwohin fliehen konnte, ging sie zu ihm und nahm die Tasse Kaffee an, die er ihr hinhielt.
„Wie bist du denn bloß in diesen Schlamassel hineingeraten?“, fragte er.
„Das Büro des Bürgermeisters hat angerufen, und als ich versucht habe, mich aus der Sache herauszuwinden, hat Tante Bev mich streng angesehen. Ich lasse mir leicht ein schlechtes Gewissen einreden.“
„Offensichtlich.“
„Und was ist deine Ausrede?“
„Ich bin der Sheriff. Ich muss hier sein.“
„Die Freuden des Kleinstadtlebens.“ Sie sah sich im Raum um. „Ganz schön voll hier. Sämtliche Kleinunternehmer, der ganze Stadtrat und viele engagierte Bürger. Mit etwas Glück sind am Ende mehr helfende Hände da als Aufgaben.“
Mac grinste. „Reines Wunschdenken.“
„Ich weiß, aber ein Mädchen wird doch wohl noch träumen dürfen. Ist unser über alles geschätzter Bürgermeister denn schon da?“
Mac legte ihr die freie Hand auf die Schulter und zeigte mit der Kaffeebecherhand nach vorn. Sie mochte es, wie sie die Köpfe zusammensteckten und wie er sie berührte. Sie mochte sowieso viele Dinge. Wenn Mac der Preis dafür war, dass sie dem Treffen beiwohnte, würde sie diesen Abend als gelungen bezeichnen.
Sie schaute in die Richtung, in die er zeigte, und sah den Bürgermeister von Los Lobos, Franklin Yardley, im Gespräch mit einer jungen Frau, die sie nicht kannte.
Solange Jill zurückdenken konnte, war Yardley schon Bürgermeister der Stadt. Mindestens schon fünfzehn Jahre. Er sah gut aus, war so gebräunt wie George Hamilton und für so eine kleine Stadt zu gut gekleidet. Die grauen Haare trug er kurz ineiner modifizierten Version des Militärschnitts. Wenn er sprach, bildeten sich kleine Fältchen um seine
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