Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
Vom Netzwerk:
essen] bekommt als Hafersuppe, diese ewige Hafersuppe! Und Kommissbrot und die ewige Marmelade.

95.
    Donnerstag, 18. Mai 1916
    Angus Buchanan verlässt Mbuyuni und lernt etwas über Maulesel
     
    Die schlimmsten Regenfälle sind vorüber. Nach fast zweimonatigem Warten in der Nässe am Kilimandscharo ist es Zeit, weiterzumarschieren, auf der Jagd nach dem flüchtigen Feind. Die Eroberung von Moshi war ein Erfolg, aber es ist wieder einmal nicht gelungen, den Feind endgültig zu besiegen. Wie viele andere ist Buchanan wider Willen beeindruckt von seinen deutschen Gegnern und nicht zuletzt von ihren Eingeborenen-Truppen, die Disziplin, Geschicklichkeit und großen Mut bewiesen haben. Es wird keine leichte Aufgabe. Der Feind verhält sich schon jetzt wie die Guerillaarmee, in die er sich verwandelt, während das britische Korps sich mit der trägen, unbeholfenen Langsamkeit eines regulären Heeres bewegt.
    Am Nachmittag verlässt die Haupttruppe Mbuyuni. Buchanan hat vorübergehend den Befehl über den Tross des Bataillons. Er besteht aus Packtieren und Mauleseln, denn jetzt wird man sich erneut in raues Gelände begeben.
    Es wird, in seinen eigenen Worten, «ein denkwürdiger Marsch». Der Großteil der Tiere ist neu, einige haben noch nie einen Packsattel getragen und sind deshalb störrisch. Ein ums andere Mal reißen Maulesel aus oder streifen das ungewohnte Zaumzeug ab. Den ganzen Abend reiten Buchanan und einige andere Soldaten zu Pferd an der Kolonne auf und ab und fangen Tiere ein, die ausgerissen sind. Hin und wieder müssen sie stehenbleiben, um zerrissenes Zaumzeug zu flicken oder um «die widerspenstigen, verängstigten Tiere» umzusatteln. Dies geht die ganze Nacht so.
    Als sie endlich ihr Lager aufschlagen, weiß Buchanan, dass vier seiner Maulesel fehlen. Dennoch haben sie zwei mehr als zu Beginn des Marsches. Im Dunkeln haben sie alle freilaufenden Tiere, die sie finden konnten, eingefangen, und ein Teil davon gehört offenbar zu anderen Bataillonen. Wie üblich beschließt man, keine Meldung zu machen.

96.
    Dienstag, 23. Mai 1916
    Paolo Monelli nimmt am Rückzug vom Cima Undici teil
     
    Sie wurden auf Lastwagen zur Front geschafft, in größter Eile, die Fahrer erzählten, was sie wussten, und das war nicht viel, lediglich Gerüchte über weitere Rückzüge. Seit dem 15. Mai ist auf dem Asiago-Plateau eine österreichisch-ungarische Offensive im Gange; die Erfolge des Feindes sind beträchtlich, zumindest verglichen mit dem erfolglosen Anrennen des italienischen Heeres drüben am Isonzo. Wenn es nicht gelingt, die feindlichen Truppen aufzuhalten, erreichen sie das Tiefland. Ja, sie könnten sogar zur Küste vordringen, bis Venedig. Es sind nur etwa dreißig Kilometer bis Vicenza. Das Alpini-Bataillon, dem Paolo Monelli angehört, befindet sich seit einigen Tagen auf dem Monte Cima. Hin und wieder sind sie von Artillerie beschossen worden. Was passiert eigentlich? Und warum?
    Monelli und die anderen erhalten keine Nachrichten. Sie versuchen dennoch zu verstehen, was geschieht, deuten die Zeichen, und die sind alles andere als gut. Die eigene Artillerie ist immer schwächer geworden. Gestern Abend verschwanden die letzten Geschütze aus ihrem Sektor; es war eine Batterie mit leichten Gebirgskanonen. Schlimmer ist, dass der Kampflärm, die Detonationsblitze und das Mündungsfeuer sich langsam verlagert haben, zuerst in ihre Richtung, dann an ihnen vorbei. Eine Kompanie des Bataillons ist schon ins Tal hinunter gerufen worden. An diesem Morgen erwachen sie völlig allein auf dem Gipfel des Berges. Jemand sagt, dass Cima Dodici gefallen sei. Cima Dodici? Sie drehen sich alle um. Der Berg liegt doch hinter ihnen. «Wir sind gefangen wie in einer Mausefalle.»
    Sie erhalten den Befehl, bis zum Einbruch der Dunkelheit die Stellung zu halten. Sie bilden die Nachhut, die durch ihren Widerstand den anderen die Möglichkeit verschaffen soll, zu entkommen. «Was wird aus uns? Und was wird aus Italien?» Sie sehen mit eigenen Augen österreichisch-ungarische Bataillone, die vom Berg neben ihnen herabströmen. Sie können nur zusehen, hilflos, denn die Gegner befinden sich außer Reichweite ihrer Gewehre, und die Gebirgsjäger führen keine schweren Waffen mit sich. Monelli und die anderen werden jedoch in Ruhe gelassen; es ist, als hätten alle sie vergessen, sogar der Feind. Der Morgen wird zum Tag, und wieder bleibt ihnen nichts übrig als zu warten. Sie sind abgeschnitten und isoliert, «die Qual des Wartens

Weitere Kostenlose Bücher