Schokolade für dich (German Edition)

Tag für einen Spaziergang, rechtfertigte Samantha sich. Die Sonne schien von einem blauen Himmel, die raue Schönheit der Berge war atemberaubend und die frische Bergluft belebend. Diese Stadt war wirklich ein landschaftliches Juwel. Das Festival würde bestimmt viele neue Gäste anlocken, und wenn die erst mal gesehen hatten, wie hübsch Icicle Falls war, würden sie zurückkehren und Familien und Freunde mitbringen.
    „Gibt es Probleme?“, fragte Cecily und brachte Samantha damit wieder zurück in die Gegenwart.
    In letzter Zeit schien es so, als gäbe es nichts als Probleme. Doch das sagte Samantha jetzt nicht. Stattdessen meinte sie: „Es wäre mir lieber gewesen, wenn du mit diesem Bericht über den Wettbewerb heute Morgen in der Sun noch ein paar Tagegewartet hättest.“
    „Mit solchen Sachen kann man doch nicht bis zur letzten Minute warten.“
    „Ich weiß.“
    „Du machst dir Sorgen wegen den Genehmigungen, stimmt’s?“ Samantha nickte. „Wir zäumen das Pferd von hinten auf, und das macht mich nervös.“
    „Wenn du wartest, bis du die Genehmigungen in der Hand hältst, hast du keine Zeit mehr, alle deine Veranstaltungen zu planen“, widersprach Cecily.
    Natürlich hatte ihre Schwester recht. Es war sowieso ein Wettlauf mit der Zeit. Und das hieß, dass sie nicht nach den üblichen Regeln spielen konnten. Trotzdem. Sie hatte es gern, wenn alles seine Ordnung hatte, und das hier war ein einziges Chaos. Jetzt rieb sie sich die Stirn. Offenbar waren Eds Kopfschmerzen ansteckend.
    „Ich weiß, dass ich schon wie besessen wirke“, gab sie zu. „Aber ohne die Buden mit Kunsthandwerk und Essen wird das kein richtiges Festival. Dann fühlen sich die Leute betrogen.“
    „Wir müssen halt das Beste draus machen“, meinte Cecily achselzuckend.
    Richtig. Wenn man sich ständig Sorgen machte, brachte das auch nichts. Und wenn es so weiterging, hatte sie bis zum Valentinstag graue Haare. Samantha zwang sich, beim Thema zu bleiben. „Also, stimmt es, was ich gehört habe: Ihr wollt, sozusagen als Auftakt zum Traummann-Wettbewerb, am Abend davor noch bei Zelda’s feiern?“ Sie konnte sich gut vorstellen, was das für eine niveaulose Veranstaltung werden würde. „Ist das wirklich nötig?“
    „Ja, klar. Das wird ein lustiger Abend, und alle sind dann voller Vorfreude. Außerdem erinnert es die Leute daran, sich Karten für die Veranstaltung zu kaufen. Und natürlich Schokolade.“
    „Kann schon sein“, meinte Samantha widerstrebend. „Wen hast du eigentlich dazu verdonnert, Jury zu spielen?“
    „Dich, zum Beispiel.“
    „Mich?“ Na toll, das war schon immer einer ihrer sehnlichstenWünsche gewesen: Preisrichterin bei einem Schönheitswettbewerb für Männer zu sein.
    „Höre ich da etwa Spott und Hohn in deiner Stimme, ehemalige Miss Icicle Falls?“
    Samantha hob drohend einen Finger. „Da ging es darum, ein Stipendium zu bekommen. Und zumindest gab es bei uns noch einen Talentwettbewerb.“
    „Na ja, und hier geht es um recht ansehnliche Preise“, konterte Cecily. „Außerdem werden den Kandidaten in einem Interview Fragen gestellt.“
    „Ob sie für den Weltfrieden sind?“, meinte Samantha bissig.
    „Nichts so Langweiliges“, erwiderte Cecily grinsend.
    „Ich weiß ja nicht“, murmelte Samantha. Obwohl es jetzt sowieso keinen Unterschied mehr machte. Ihre Schwestern hatten sich zu Event-Dampfwalzen entwickelt, die einfach über ihre Einwände und Sorgen hinwegratterten. Gegen die stilvolleren Veranstaltungen hatte sie ja auch gar nichts einzuwenden. Nur auf diesen albernen Schönheitswettbewerb für Männer war sie wirklich nicht erpicht.
    „Das wird ganz toll“, versicherte ihr Cecily. „Die Kandidaten müssen uns ihre Lieblingsschokolade aus dem Sweet-Dreams-Laden verraten. Also müssen sie natürlich vorher reichlich einkaufen, um Recherche zu betreiben. Und das ist gut für den Umsatz. Wie auch immer, alle sind ganz heiß drauf, und die Sache läuft schon.“
    „Mir wäre es lieber, wenn sie ohne mich laufen würde“, erklärte Samantha.
    „Ich fürchte, das geht nicht. Sweet Dreams sponsert dieses Festival, und du bist das Gesicht von Sweet Dreams. Übrigens, Nia Walters möchte dich für einen Zeitungsartikel interviewen. Also liefert dir der Wettbewerb nicht nur zusätzlichen Umsatz, sondern auch noch kostenlose Werbung.“
    Etwas gegen kostenlose Werbung einzuwenden war schwierig. Trotzdem wäre Samantha lieber nackt in den eiskalten Wenatchee-Fluss gesprungen, als