Schokolade für dich (German Edition)
sie angefleht. Die Vorstellung, dass ihr geliebter Vater ihren Kosenamen „meine Prinzessin“ in „diebische Elster“ verwandeln könnte, war furchtbar. Der Gedanke, in seiner Achtung so tief zu sinken, war mehr, als sie hätte ertragen können, und das hatte ihre Mutter gespürt.
„Wenn du das nie wieder machst, verrate ich ihm nichts“, hatte ihre Mom zu ihr gesagt.
Jetzt sagte Samantha dasselbe zu Amber. Das Mädchen stand schon auf der schwarzen Liste ihrer Mutter, da wollte Samantha ihrer Freundin keinen weiteren Anlass bieten, unglücklich über ihre Tochter zu sein.
In Ambers Miene spiegelte sich Erleichterung. Nun sah sie nicht mehr so besorgt aus. „Danke“, hauchte sie.
„Aber wehe, du hältst dich nicht an unseren Deal“, ermahnte Samantha sie streng. „Dann verpetze ich dich sofort.“
„Keine Sorge, ich halte mich dran. Du bist echt spitze“, schwärmte Amber, drehte sich um und tänzelte beglückt aus dem Büro.
Von wegen spitze. Samantha dachte an all ihre Sorgen und entschied, dass es Zeit war, nach Haus zu gehen, um sich im Selbstmitleid zu suhlen.
Ihre Wohnung war ein netter Ort dafür: Die Wände waren in einem warmen Braunton gestrichen, Fotos von Lupinen und anderen Bergblumen, die Samantha auf ihren Wanderungen geschossen hatte, hingen gerahmt über dem elektrischen Kamin.
Und als sie zur Tür hereinkam, stand das Willkommenskomitee schon bereit. Nibs war immer froh, wenn jemand kam, der mit dem mysteriösen Dosenöffner umgehen konnte, der ihm Zugang zum Katzenfutter verschaffte.
„Du hast Glück“, sagte Samantha zu ihm, als sie das Futter in seine Schale füllte. „Du hast jemanden, der sich um dich kümmert. Keine Sorgen, kein Stress.“ Wie sich das wohl anfühlte?
Wenn sie sich geschlagen gab, hätte sie auch keine Probleme und keinen Stress mehr.
Nur dass dann ihre Mutter obdachlos werden würde und sie in die Familienchronik als diejenige eingehen würde, die das Unternehmen, das seit Generationen mit Enthusiasmus und viel Kreativität geführt worden war, hatte bankrottgehen lassen. Toll.
„Wieso passiert das alles einem netten Mädchen wie mir?“
Nibs antwortete nicht. Er war zu sehr mit dem Essen beschäftigt.
Samantha schaltete ihr Handy aus und warf es in ihre Krimskramsschublade. Danach ging sie ins Bett und starrte an dieDecke. Blöde Idee. In ihrem Kopf drehten sich die Gedanken so schnell, dass ihr fast schwindelig wurde. Also stand sie wieder auf und verließ das Schlafzimmer.
Was sollte sie nur tun? Sie marschierte durch ihre Wohnung, ohne eine Antwort zu finden.
Schließlich schnappte sie sich die Bruchschokolade, die sie mit nach Hause gebracht hatte, und lümmelte sich auf die Couch im Wohnzimmer. Wie ein braver kleiner Masochist schaltete sie die Nachrichten im Fernsehen ein.
„In dieser Woche hat die Stadt Icicle Falls ein harter Schlag getroffen“, sagte Erin Knowle, die Nachrichtensprecherin. „Ein Erdrutsch hat den Highway 2 unpassierbar gemacht, und der Gouverneur hat dazu aufgerufen, den Pass zu meiden. Dadurch besteht die Gefahr, dass das Schokoladenfestival abgesagt werden muss. Das ist ein doppelter Rückschlag für den kleinen Ort, der normalerweise ein attraktives Ziel für Wintersportenthusiasten ist. Der Highway 2 ist immer noch gesperrt. Wählen Sie also bitte eine andere Route, wenn Sie über den Pass müssen.“
„Oh verdammt“, schimpfte Samantha und warf ein Stück Schokolade gegen den Fernseher.
Erins Kollege schlug in dieselbe Kerbe. „Wir hatten in diesem Winter hier im Nordwesten wirklich ungewöhnlich warmes Wetter und häufige Regenfälle. Nicht wahr, Erin?“
„Ja“, bestätigte Erin, ganz mustergültige und perfekt gekleidete Nachrichtensprecherin aus der vollkommenen Welt, in der die schlimmen Dinge immer nur anderen Menschen zustießen. „Und das heißt, dass es in den Bergen nur wenig Schnee gab. Was wiederum für all diese Skigebiete wie Snoqualmie Falls und Crystal Mountain sowie natürlich für Icicle Falls zu herben Verlusten geführt hat. Denn die Wirtschaft dieser Orte hängt von gutem Winterwetter ab.“
Samantha warf noch ein Stück Schokolade Richtung Fernseher.
Du benimmst dich schrecklich kindisch, ermahnte sie sich. Und vergeudest Schokolade. Sie ging zum Fernseher hinüber, hob die Schokolade auf und steckte beide Stücke auf einmal inden Mund. Dann, reife Erwachsene, die sie war, setzte sie sich auf den Fußboden und brach in Schluchzen aus.
Sie war gerade richtig in Schwung
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