Schokoladenzauber - Roman
einzuspringen, wenn ich zur Uni gehen würde, wäre sie gezwungen, sich wie eine richtige Mutter zu benehmen. Aber das hat nicht funktioniert: In der Sekunde, in der ich mich nach dem ersten Semester auf den Heimweg gemacht hatte, hatte sie Jake bei Zillah abgeladen und war auf und davon.«
»Hätte sich nicht Zillah um ihn kümmern können?«
»Nein, Zillah hat Jake geliebt, aber sie hat kein Händchen für Babys – sie hätte ihn stundenlang vergessen, und wenn er ihr wieder eingefallen wäre, hätte sie ihn falsch gefüttert oder Asche auf ihn fallen lassen. Außerdem hatte ich ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil ich deinetwegen kaum an Jake gedacht hatte, obwohl er doch so klein und hilflos war. Das alles hatte ich dir in dem Brief erklärt, aber offensichtlich hast du ihn nicht gelesen.«
Raffy hatte den Kopf auf seine gefalteten Hände gelegt, das lange schwarze Haar bedeckte sein Gesicht, aber jetzt sah er schlagartig auf. »Ich habe keinen Brief bekommen!«
»Ich hatte ihn an Rachel geschickt, zusammen mit dem Brief an sie. Sie sollte ihn dir geben, sobald du kommst … Ich war mir sicher, du würdest kommen«, fügte ich gequält hinzu.
»Ich bin gekommen, bei der allerersten Gelegenheit. Aber Rachel hat mir den Brief nie gegeben.«
»Und du hast ihr all diese Lügen geglaubt?«
»Ich – nun, der Absatz des Briefes, den sie mir gezeigt hat, war in deiner Handschrift geschrieben«, brachte er zu seiner Verteidigung hervor, »und er klang sehr überzeugend.«
»So überzeugend, dass du niemals nachgehakt hast?«
Raffy seufzte. »Nein, ich war wohl so wütend, dass ich nicht klar denken konnte, und ich sah damals keinen Grund, weshalb Rachel mich belügen sollte.«
»Weil sie immer schon ein Auge auf dich geworfen hatte«, sagte ich. »Sie hatte ihre Chance gesehen und ergriffen.«
»Aber was war mit dir?« Raffy sammelte sich plötzlich und stand auf. »Hast du dich nie gefragt, weshalb ich dir nie geschrieben oder nie nach dir gesucht habe?«
»Nicht nachdem sie mir gesagt hatte, sie hätte dir meinen Brief gegeben und du hättest ihn nicht einmal gelesen. Außerdem hat sie behauptet, dass du gleich darauf mit ihr ins Bett gehüpft seist, und das war vermutlich keine Lüge?«
Er sah beschämt aus. »Nein, ich habe mich in der Studenten-Bar volllaufen lassen, und sie … hat mich getröstet. Ich habe es am nächsten Tag schon bereut. Sie nie wiedergesehen. Und danach ging es, ehrlich gesagt, voll bergab«, sagte er nüchtern. »Was war ich doch für ein Narr.«
»Ich habe wochenlang auf dich gewartet, aber dann kam Rachels Brief. Und danach waren die Zeitungen voll von dir und Mortal Ruin, und da war mir klar, dass du mich vollkommen vergessen hattest.«
»Aber das stimmt nicht! Gott weiß, ich habe es versucht, aber der Gedanke an dich hat mich ständig verfolgt.« Er setzte sich wieder, beugte sich vor und nahm meine Hände fest und warm in seine. »Es bedurfte Gott, damit ich endlich sehen konnte, welche Folgen mein Handeln für andere hatte, damit ich mich nach außen statt nach innen wandte. Es war ein harter Kampf, dir aus tiefstem Herzen zu vergeben, was du mir meiner Meinung nach angetan hattest, aber ich habe immer gehofft, du wärst glücklich und alles hätte sich für dich zum Guten gewendet.«
»Nun, das ist mir nicht gelungen, ich habe dir niemals vergeben! Immer, wenn ich einen deiner verdammten Songs gehört habe, haben meine Gedanken zu neunzig Prozent aus Kakaofeststoffen bestanden.«
»Ich nehme an, das ist sehr bitter?«
»Das könnte man sagen, und ein Hauch Chili war auch immer dabei. Du warst in meinen Augen eine billige Forastero-Schokolade, und ich hatte vermutlich recht.«
»Danke«, sagte er trocken. »Es tut mir aufrichtig leid, dass dein Leben nicht so glücklich verlaufen ist. Ich habe dich immer mit Mann und Kindern vor mir gesehen, wenn …«
Er brach den Satz ab: Vielleicht legte ihm mein Gesichtsausdruck nahe, das Thema lieber nicht zu berühren.
»Ich hätte beinahe geheiratet, aber es sollte nicht sein, und außerdem musste ich Jake großziehen. Ich finde, ich habe meinen Anteil an Mutterschaft und Beziehung geleistet, und jetzt konzentriere ich mich auf mein Geschäft.«
Plötzlich wurde mir bewusst, dass er immer noch meine Hände hielt und etwas sehr Mächtiges zwischen uns hin- und herfloss … Rasch zog ich sie weg.
»Felix hat erwähnt, dass dein Exverlobter wieder aufgetaucht ist, vielleicht änderst du deine Meinung doch noch«, meinte
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