Schottlands Wächter (German Edition)
Bryanna erschrak, denn sie lag nackt in der Asche. Nur selten flackerte hier und dort noch ein Flämmchen auf. Die Frau, die sie geweckt hatte, half ihr aufzustehen. Bryannas Blick huschte über andere Frauen, die ein paar Schritte entfernt auf sie zu warten schienen.
Erleichterung durchflutete sie, als sie Kaylee erkannte. Gott sei Dank, dann sind die anderen die weisen Frauen . Erst jetzt erkannte sie das eine oder andere Gesicht. Sie fühlte sich wie neu geboren und doch war alles fremd und gleichzeitig vertraut. Neben Kaylee stand eine der weisen Frauen mit einem brennenden Holzscheit.
Bryanna ging über die ausgebrannten Hölzer. Sie wunderte sich, dass keine Spur der Asche an ihr hängen blieb. Sogar ihre langen, schwarzen Haare fielen glatt und sauber auf ihre Schultern. Noch mehr wunderte sie sich, dass sie keine Scham empfand, obwohl sie nackt war. Ja, sie fror nicht einmal, auch wenn sie die kühle Morgenbriese auf der Haut spürte.
Als sie den Rand der Ascheinsel erreicht hatte, stellte sie fest, dass alle Menschen außer Kaylee und den weisen Frauen bereits gegangen waren. Eine der Frauen hielt ein Kleid aus weißer Wolle und feste Lederschuhe bereit. Bryanna zog beides an, obwohl ihr nicht kalt war. Sie spürte immer noch das Kribbeln des Feuers auf ihrer Haut. Erstaunt bemerkte sie, dass das rote Band mit dem Strauß aus Eberesche nicht verbrannt war.
Kaylee umarmte sie wortlos. Sie zitterte.
„Ist schon gut”, flüsterte sie. „Ich war nicht allein in dem Feuer.”
„Ich dachte, dass sie dich wirklich töten … so wie in den dunklen Zeiten … und ich konnte nichts tun.” Kaylees Stimme war heiser. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie erleichtert ich war, als nur deine Kleidung verbrannte.”
Bryanna drückte ihren Arm und lächelte. „Bride hat mich mit einundachtzig Namen beschützt.”
Kaylee starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an „Namen, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen?”
Bryanna nickte.
„Welch ein Geschenk! Ich wünschte, ich wüsste wenigstens ein paar dieser Namen.”
Impulsiv wollte Bryanna fragen, was an ein paar Namen so besonders war, als ihr einfiel, wie das Wasser auf seinen wahren Namen reagiert hatte. Namen waren in Alba offensichtlich sehr machtvoll. Bryanna fragte sich, ob sie diese Macht nutzen konnte, ohne zu wissen, was oder wen sie rief. Wer weiß, nachher ist der Name der Redcaps dabei. Ich werde lieber vorsichtig sein. Sie beschloss, nichts zu riskieren.
In Gedanken versunken ging sie neben Kaylee den Berg hinab. Die weisen Frauen gingen mit der Fackel vor ihnen her. Als sie die Hütte erreicht hatten, wurde das Feuer unter Gesang ins Haus getragen, auf die Feuerstelle gelegt und mit viel Holz gefüttert. Danach führte eine der Frauen Kaylee und Bryanna zu einem großen Heuhaufen, reichte ihnen Laken und Decken und ließ sie allein. Bryanna breitete ihr Laken aus und war eingeschlafen, bevor sie richtig zugedeckt war. Sie merkte nicht mehr, wie Kaylee sie lange und nachdenklich betrachtete.
Am späten Morgen bekamen sie reichlich Haferbrei mit Honig und Sahne. Von den neun Frauen war nur eine geblieben, die anderen gingen ihren üblichen Tätigkeiten nach.
„Ihr solltet nach Tarnavie gehen”, schlug die Frau vor. „Dort gibt es einen Heiligen Hain in dem jemand wohnt, der euch wahrscheinlich bei eurer Suche nach Morag helfen kann.”
„Eigentlich suche ich meinen Vater.”
„Du musst erst Morag finden, Kind. Das ist der einzige Weg.”
Bryanna wusste, dass die Frau Recht hatte. Der Teil in ihr, der von Bride berührt worden war, gab ihr diese Gewissheit.
„Hoffentlich werden wir nicht wieder von Redcaps angegriffen”, sagte Kaylee.
Die Frau deutete auf das Sträußchen mit Eberesche, das sie um den Hals hängen hatte. „Die Eberesche wird euch vor allem Übel beschützen. Ihr seid so lange sicher, wie ihr eure Ketten tragt.” Da die beiden Mädchen genug gegessen hatten, reichte sie Bryanna ihre getrocknete Jacke und die Umhängetasche mit den beiden Tonschalen vom Vortag. „Ein paar Äpfel habe ich euch auch dazugelegt.”
Die Frau begleitete sie vor das Haus und beschrieb ihnen den Weg nach Süden zum Heiligen Hain von Tarnavie. „Wenn ihr meiner Beschreibung aufs Wort folgt und den Weg nicht verlasst, werdet ihr schon heute Abend dort sein”, versprach sie. Sie breitete die Arme zur Sonne aus und senkte nach einer Weile die Hände auf die Schultern der Mädchen. „Möge die Straße dir entgegenkommen und der Wind in
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