Schottlands Wächter (German Edition)
eine kleine Stadt, und so flogen sie bald über sanft gewelltes, unbewohntes Moorland. Unzählige Lochs funkelten trotz des leichten Nebels im Licht des Mondes. Je weiter sie nach Westen flogen, desto dichter wurde der Nebel. Als sie ein weiteres Städtchen erreichten, schwenkte Bryanna nach Süden ab.
„Wir sind gleich da.” Sie zeigte auf ein kleines Dorf, nicht mehr als eine Hand voll Straßen mit drei oder vier Dutzend Häusern, das im Nebel kaum zu sehen war.
„Das ist der Ort Callanish. Bis zum Steinkreis ist es nur noch ein Katzensprung.” Plötzlich riss der Nebel auf und der Mond beleuchtete zwei sich kreuzende Doppelreihen Steine, deren Schnittpunkt von einem Steinkreis eingefasst war. Nicht weit entfernt glitzerte das Wasser eines Lochs im Mondlicht.
Bryanna staunte. „Sieh mal, Kaylee. Die Steine sind in Form eines keltischen Kreuzes aufgestellt.” Sie war immer davon ausgegangen, dass die Steine in Callanish —ähnlich wie in Stonehenge— einen Kreis bilden würden. Auf den Fotos, die sie bisher gesehen hatte, hatte es so ausgesehen. Umso überraschter war sie über diese ungewöhnliche Form. Unwillkürlich griff sie nach der Kette mit dem silbernen Kreuz, die sie von Kaylee geschenkt bekommen hatte. Sie landete auf einem geteerten Parkplatz am Nordende des Kreuzes, wenige Schritte von den ersten Steinen entfernt. Ein Hund kam bellend auf sie zu gerannt, drehte aber mit eingeklemmtem Schwanz ab, als Kaylee ihm einen wütenden Blick zuwarf und ihn nach Katzenart anzischte.
Bryanna grinste. „Der scheint schlechte Erfahrungen mit Katzen gemacht zu haben.”
Kaylee warf die Haare zurück und sah sich um. „Und wen treffen wir hier?”
Bryanna zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Stuart sagte, dass hier jemand auf uns warten würde.”
„Woher konnte er wissen, wann wir hier ankommen?”
„Die Sterne wissen es. Man muss nur die richtigen Fragen stellen”, sagte eine tiefe Stimme, die ein warmes Kribbeln in Bryannas Herzen auslöste. Langsam drehte sie sich um. Vor ihr stand ein Mann, dessen weißer Vollbart bis zu einem Gürtel hing, der locker um sein langes, weißes Gewand gebunden war.
„Ich bin der letzte Druide von Callanish.”
Er sah genau so aus, wie sich Bryanna einen Druiden vorgestellt hatte. Sein Gesicht war von tiefen Falten durchzogen, aber seine Augen strahlen wie zwei Sterne.
„Ihr seid Bryanna und Kaylee”, sagte er. Es war eine Feststellung, keine Frage. Er streckte die Hände aus. „Kommt. Wir müssen nach Alba, bevor der Morgen die Sterne verblassen lässt.”
Bryanna nahm seine rechte, Kaylee seine linke Hand. Die Luft um sie flimmerte. Bryanna stellte erstaunt fest, dass sich der Druide auf eine ganz andere Art durch das Weltengewebe bewegte, als sie es gewohnt war. Es war, als gingen sie durch leere Gänge und riesige Hallen. Als sie glaubte, das Echo ihrer Schritte zu hören, standen sie schon in Alba unter dem langsam heller werdenden Nachthimmel. Ohne Zeit zu verschwenden, zeigte der Druide in die Höhe.
„Seht ihr dort den großen Wagen? Er ist Teil des Sternbilds des großen Bären.” Kaylee nickte, Bryanna schüttelte den Kopf. Für Sterne hatte sie sich bisher nicht interessiert. Der Druide stellte sich dicht neben sie, so dass sie an seinem Arm entlang sehen konnte. Er roch nach Holzrauch und frisch gemähtem Gras.
„Dort ist es. Es ist leicht zu erkennen.” Er zeigte auf vier Sterne, die trapezförmig angeordnet waren. Drei weitere Sterne bildeten einen Bogen, der wie eine Deichsel an dem Trapez hing. Als Bryanna genauer hinsah, erkannte sie, dass der mittlere Stern der Deichsel aus zwei Sternen bestand. Sie wunderte sich nicht, wie leicht sie sich das Sternbild merken konnte. Es war wie mit allem, was sie auf der Reise gelernt hatte: es setzte sich einfach in ihrem Kopf fest. Als der Druide erneut fragte, ob sie den Wagen gefunden hätte, nickte sie.
„Verlängert in Gedanken die Hinterachse, so als ob eine Fahnenstange darin stecken würde. Seht ihr den hellen Stern, der ein Stück darüber steht? Das ist der Nord- oder Polarstern”, sagte der Druide.
Bryanna sah genau hin, bis sie einen kleinen, hell glitzernden Stern entdeckte. Er setzte sich ebenfalls in ihrem Kopf fest.
„Es ist der einzige feste Punkt in allen Welten. Egal, ob ihr in Faerie seid, in Alba oder Schottland, der Nordstern ist immer an derselben Stelle. Orientiert euch an ihm und ihr geht nie in die Irre.”
Bryanna wunderte sich über den Nachdruck in der
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