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Schrei der Nachtigall

Schrei der Nachtigall

Titel: Schrei der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Marmorplatte, in dem alten und wuchtigen Schrank standen ein paar Bücher und Weingläser, die offensichtlichmehr zur Zierde da waren, doch da war kein Radio, von einer Hi-Fi-Anlage ganz zu schweigen, und schon gar kein Fernseher. Ein gemütliches, heimeliges Zimmer, mit Pflanzen auf den drei schmalen Fensterbänken, in einer Ecke ein hohes grünes Gewächs, das Brandt zwar schon in einigen Wohnungen gesehen hatte, doch nirgends passte es besser hin als hier.
    »Sie haben es schön«, sagte Brandt und setzte sich auf die Couch.
    »Danke«, entgegnete Caffarelli höflich, »ich fühle mich hier auch sehr wohl. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Wir haben aber leider nur Wasser und Saft.«
    »Nein, danke, ich will Ihnen keine Umstände machen.«
    »Das sind keine Umstände, Herr Brandt. Möchten Sie auch einen Orangensaft?« Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er hinaus und kam mit zwei gefüllten Gläsern zurück. Er nahm nicht wie die meisten, mit denen Brandt es zu tun hatte, ihm gegenüber Platz, möglichst weit weg, sondern setzte sich in den Sessel in unmittelbarer Nähe zu ihm.
    »Haben Sie Allegra von mir gegrüßt?«, fragte Brandt, während er an seinem Orangensaft nippte, der besonders gut schmeckte.
    »Oh, das habe ich leider vergessen. Aber heute ist so viel geschehen, dass ich mich für mein Versäumnis entschuldigen möchte. Ich werde es morgen nachholen und Allegra die Grüße ausrichten.«
    »Was ist denn geschehen?«
    »Eigentlich wollte ich es meiner Frau nachher erzählen, aber ich denke, es macht nichts, wenn Sie es als erster erfahren.Allegra hat die ersten Worte gesprochen, und sie hat meine Hand ganz leicht gedrückt. Sie erwacht wieder zum Leben.«
    »Ist das wahr?«
    »Warum sollte ich Sie anlügen? Ich glaube, es hat etwas mit Ihnen zu tun.«
    »Wieso soll das etwas mit mir zu tun haben? Ich war gestern doch nur ein paar Minuten bei ihr.«
    »Und ich bin seit beinahe vier Monaten jeden Tag bei ihr, und es ist nichts geschehen. Ich fühle es einfach«, sagte Caffarelli lächelnd.
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
    »Vielleicht hat Allegra gespürt, wer Sie sind, und möchte Ihnen etwas sagen.«
    Brandt war wie schon am Vormittag irritiert und wusste nicht, was er von Caffarellis Aussage halten sollte. Was könnte ihm Allegra schon großartig mitteilen wollen?
    »Was sagen die Ärzte?«, fragte Brandt.
    »Sie zweifeln noch, aber das ist wohl so ihre Art«, erwiderte Caffarelli gelassen. »Ich zweifle nicht, ich glaube fest daran, dass Allegra bald wieder mitten unter uns sein wird.«
    »Warum haben Sie ein solches Interesse an ihr?«
    Caffarelli hob die Schultern und antwortete: »Vielleicht, weil ich mir immer eine Tochter wie sie gewünscht habe. Verstehen Sie mich jetzt bitte nicht falsch, ich liebe meinen Sohn Luca über alles, er ist neben meiner Frau das wertvollste Geschenk, das mir jemals gemacht wurde, und trotzdem habe ich mir immer auch eine Tochter gewünscht. Leider hat meine Frau nach Lucas Geburt keineKinder mehr bekommen können. Ich bin dennoch sehr, sehr glücklich mit meiner Familie.«
    »Das glaube ich Ihnen. Aber ich muss gestehen, ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der sich so sehr für einen Fremden einsetzt.«
    »Allegra ist mir nicht fremd, ich kenne sie, seit sie ein kleines Mädchen war. Sie bedeutet mir sehr viel. Aber Sie sind bestimmt nicht wegen Allegra gekommen, sondern wegen ihres Vaters.«
    Brandt nickte und meinte: »Sie haben recht. Doch vorher möchte ich Ihnen etwas zeigen und Sie fragen, ob Sie mir vielleicht helfen können.« Er zog das Etui mit der Uhr, die sein Vater ihm gegeben hatte, aus der Innentasche seiner Jacke, öffnete es und nahm die Uhr heraus. »Das ist das gute Stück.«
    Caffarelli nahm die Uhr in die Hand, und seine Augen begannen zu glänzen. »Sie ist wunderschön. Ein Meisterwerk. Warten Sie«, sagte er, stand auf, holte eine Lupe aus dem Schrank und nahm den Deckel und die Rückseite in Augenschein. »Wunderbar, einfach wunderbar. Sie wurde zwischen 1893 und 1894 gefertigt, also vor etwa hundertzehn Jahren. In den Deckel ist ein Bibelspruch eingraviert, Moment … ›Alles hat seine Zeit‹, Kohelet, und darunter Konrad Edouard Brandt und noch das Datum der Fertigstellung, 12. Januar 1894.« Caffarelli wog sie und betrachtete sie eine Weile, als hielte er einen kostbaren Schatz in der Hand. »Diese Uhr ist ein Kunstwerk, so viel kann ich Ihnen jetzt schon sagen. Allein dieses filigrane Zifferblatt mit der

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