Schrei in der Nacht
schimmerte im Morgenlicht
flüchtig der Regen auf, der noch immer aus dem grauen Himmel
herunterrauschte. Dann taumelte Rogan herein, schlug die Tür zu
und lehnte sich erschöpft an den Pfosten. Er keuchte, mußte
lachen und rang wieder nach Atem und japste: »Beinahe hatten sie
mich! Ein Polyp stellte mich ein paar Straßen weiter! Ich gab ihm
einen Tritt und lief um mein Leben.« Er lachte unsicher und
strich sich eine nasse Strähne aus der Stirn. Das Lächeln
erstarb aber auf seinem Gesicht, als er die eisige Ruhe bemerkte, die
ihm entgegenschlug. Er starrte von Murphy zu dem Mädchen, dann zu
Fallon und befeuchtete nervös die Lippen. »Ihr seht ja sehr
heiter aus, muß ich schon sagen.«
»Wo bist du gewesen?« fragte Fallon gefährlich ruhig.
Rogan quälte sich so etwas wie ein Grinsen ab.
»Bei dem Freund, von dem ich Ihnen erzählte! Ich dachte, ich
könnte ihn antreffen, wenn er noch an seiner alten Adresse wohne.
Ich glaubte, daß er möglicherweise nur kein Telefon mehr
habe.«
Fallon schlug ihm mit dem Handrücken quer
über das Gesicht. »Du verdammter Lügner«, schrie
er ihn an, »wo bist du gewesen?«
»Mörder!« rief Anne dazwischen. »Schmutziger Mörder!«
Panik verzerrte Rogans Gesicht; er drehte sich um,
streckte eine Hand nach dem Türgriff aus, aber Fallon schlug sie
ihm herunter. Dann schleuderte er ihn herum, hielt ihn mit eisernem
Griff am Jackett fest, und die Schläge seiner flachen Hand
klatschten quer über Rogans Gesicht. »Du hast die
Handgranate in der Kirche angebracht, nicht wahr?« schrie er,
»du wußtest, daß sie dem ersten, der die Tür
öffnen würde, ins Gesicht gehen müßte.«
Rogans Augen glitzerten wie Nadelkuppen.
Er starrte in Fallons unerbittliches Gesicht und ein schmaler Streifen
von Schaum erschien in den Mundwinkeln. Fallon stieß ihn mit
Abscheu heftig gegen die Tür. Als Rogan zu Boden schlug, fiel
etwas aus seinem Mantel heraus. Fallon bückte sich schnell und hob
es auf. Es war ein Gurt mit Plastiksprengstoff, der in der zweiten
Kiste in dem Gewölbe gelagert hatte. Für einen Moment starrte
Fallon entsetzt darauf. Zwei der Taschen im Gurt waren leer.
Er ging auf Rogan zu und hielt ihm den Gurt unter die
Nase. »Du hast schon eine Handgranate angebracht und einen Mann
damit getötet. Jetzt willst du dieselbe dreckige Tour wiederholen.
Wo bist du gewesen?« Er schlug ihn erneut mit dem
Sprengstoffgurt; Rogan schrie vor rasender Wut auf, warf sich auf
Fallon und schleuderte ihn gegen den Fuß der Treppe.
Dann lehnte sich der kleine Mann mit starren Augen und
Schaum vor dem Mund gegen die Tür. »Ja, ich habe die Granate
angebracht!« schrie er los. »Ja, ich habe sie angebracht,
weil ich hoffte, sie würde jemanden töten. Das ist es auch,
warum ich hier bin. Menschen zu töten! Das ist es, was die
Organisation braucht.« Für Sekunden schien es, als
würde er ersticken, dann aber kam er zu sich und zeigte mit
zitternden Fingern auf Fallon. »Solche Männer wie Sie kann
sie nicht gebrauchen – die bei jedem Blutvergießen
erschrecken, die sich abquälen mit dem Gefasel über ihr
Gewissen!« Er begann kreischend zu lachen, über sein Gesicht
aber rannen die Tränen.
»Um Gottes willen, er ist verrückt«, murmelte Murphy mit zu Tode erschrockener Stimme.
Rogan fuhr auf. »Verrückt?« schnaubte
er. »Dann muß man also verrückt sein, um zu handeln
und etwas zu leisten! Während Ihr Neunmalklugen geschlafen habt,
war ich draußen im Regen und habe in der Dunkelheit nach einer
Adresse gesucht. Nach einer Adresse – nur drei Straßen
weiter! Und ich fand sie. Ich brachte fast eine halbe Stunde unter dem
Auto von Stuart, diesem Mr. Allmächtig, zu. Genau eine halbe
Stunde!« Er kicherte und wischte sich den Speichel mit dem
Handrücken vom Kinn. »Sie werden einen neuen
Kriminalinspektor brauchen, noch bevor der Morgen vorüber
ist!«
Anne Murray schlug die Hand vor den Mund und erstickte
einen Aufschrei. »Martin!« rief sie in größter
Angst aus.
Fallon war wie zu Stein erstarrt.
Plötzlich stieß Rogan sein Bein mit voller Wucht gegen
Murphys Schienbein, drehte sich um, riß die Tür auf und
verschwand draußen im Regen. Sie sahen ihn noch flüchtig,
wie er über den Hof rannte und die kleine Tür in der Mauer
aufriß, dann war er verschwunden.
Murphy lag zusammengekrümmt und sein rechtes Knie
pressend an der Wand. Fallon ging schnell zu ihm und fragte besorgt:
»Alles in Ordnung?«
Der Junge nickte. »Der
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