Schrei in der Nacht
den nassen Steinen aus. Er mußte ständig an Philip
Stuart denken, der nichtsahnend in seinem Wagen saß und durch den
stillen Morgen fuhr, während unter ihm sein Auspuff immer
heißer wurde. Fünf Minuten, dachte Fallon, das ist die
äußerste Frist. Plötzlich stolperte er, schlug flach
aufs Gesicht und schrammte sich seinen Arm schwer auf. Eine Weile lag
er bewegungslos da; dann rappelte er sich wieder hoch und lief weiter.
Himmel, was für ein elender Dreck, dachte er, und in diesem
Augenblick sah er die schwarze Limousine, die aus dem Regen heraus auf
ihn zukam.
Mit ausgestreckten Armen taumelte er auf
die Straße, und der Wagen blieb rutschend und schleudernd kurz
vor ihm stehen. Fallon konnte Stuarts erstarrtes Gesicht durch die
Scheibe erkennen; er stürzte neben den Wagen, riß die
Tür auf und packte ihn. »Martin, was, zum Teufel, machst du
denn hier?«
Fallon zerrte ihn aus dem Wagen, glitt dabei aus und
fiel mitten auf der Straße auf die Knie. »Die Bombe!«
keuchte er mit pumpenden Lungen. »Unter dem Wagen ist eine Bombe!
Wir müssen hier weg!«
Er rappelte sich hoch und rannte zur Seite, an den
Straßenrand. Stuart folgte ihm, und plötzlich gab es eine
furchtbare Explosion. Aus dem Augenwinkel sah Fallon ein großes
Metallstück durch die Luft gesegelt kommen. Er warf sich auf den
Bürgersteig und beschützte Gesicht und Kopf mit angewinkeltem
Arm. Als das Echo der Explosion in der Ferne verklang, erdröhnte
eine zweite kleinere Explosion, und Fallon wußte, daß jetzt
das Benzin in die Luft gegangen war.
Er hob schließlich den Kopf und atmete tief.
Stuart lag dicht hinter ihm. Fallon richtete sich auf die Knie auf und
fragte: »Hast du was abgekriegt, Phil?«
Stuart wankte auf ein Knie hoch. Auf seinem Gesicht
lag noch der Schreck. »Martin«, keuchte er. »Ich
verstehe gar nichts. Was ist los?«
Fallon wollte gerade antworten, als mit
dröhnenden Motoren zwei Streifenwagen die Straße
heruntergerast kamen und mit kreischenden Bremsen neben ihnen hielten.
Fallon mußte bitter auflachen. Mrs. Stuart hatte keine Zeit
verloren. »Du kannst deiner Frau sagen, sie hat sehr gut
reagiert!« stieß er schnell zu dem erstaunten Stuart
gewandt hervor und rannte dann auf dem Bürgersteig davon.
Er kreuzte die Straße, sprang
hinter einen Wagen und drehte sich um. Er war nur wenige Meter weit
gekommen, aber schon bog ein neuer Streifenwagen aus einer
Seitenstraße vor ihm und stellte sich auf der Straße quer.
Hinter ihm brüllte Stuart laut und deutlich: »Martin, sei
doch kein Narr!«
Fallon blieb stehen, als drei Polizisten aus dem Wagen
vor ihm sprangen und auf ihn zukamen. Verzweiflung und sinnlose Wut
stiegen in ihm auf. Vor ihm auf dem Bürgersteig lag ein verdrehtes
Metallstück von dem explodierten Wagen. Es war die einzig
greifbare Waffe. Er ergriff es, drehte sich um und stürzte geduckt
auf Stuart und die anderen beiden Wagen zu. Plötzlich hörte
er eine Stimme, die warnend rief: »Aufpassen! Er hat eine
Waffe!« Und dann erscholl Stuarts Stimme: »Nein –
nicht schießen!«
Das war das letzte, was Fallon noch
hörte; gleich darauf gab es einen kleinen, flachen Knall, und
irgend etwas schlug gegen seine Brust. Er fiel auf das Pflaster, sein
Kopf sank zurück auf die nassen Steine, und ein wirres Murmeln von
Stimmen drang undeutlich zu ihm. Ein Wald von Beinen umgab ihn, ein
Gesicht beugte sich ganz nah über ihn, aber die Stimme, die zu
diesem Gesicht gehörte, klang ganz weit und wie von fern her; dann
versank das Gesicht in einem Wirbel bunter Lichter, und
schließlich tauchte er in undurchdringlicher Finsternis unter.
6
Ein Licht tauchte auf aus der Nacht, kam nahe heran und verschwand
wieder. Verschiedene Male kam es so heran, und Fallon fand die
Erscheinung sehr seltsam. Sein Kopf drehte sich, und es bedeutete eine
ungeheure Anstrengung, die Augen zu öffnen. Wieder kam das Licht
nah heran, und diesmal sagte eine Stimme: »Entspannen! Nicht
verkrampfen. Schön entspannen.« Das Licht verwandelte sich
plötzlich in einen sich drehenden Ball, der kleiner und kleiner
wurde, und Fallon versank wieder in Dunkelheit.
Als er schließlich erwachte, befand er sich in
einem Einzelbett, in einem kleinen und engen Raum, der von jenem
besonderen und nicht zu verwechselnden Krankenhausgeruch nach
Desinfektionsmitteln und Sauberkeit angefüllt war. Das Zimmer lag
halb im Schatten; eine abgedeckte Lampe stand auf einem Nachttisch
neben dem Bett. Im Licht dieser
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