Schrei in Flammen
Besser die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen, dachte er und spürte, dass er kurz davor war, die Besinnung zu verlieren.
»Komm schon!«, rief Hector.
Mathias stand auf. »Nein, verdammt, Mann, ich kann das nicht.«
»Jetzt komm schon!« Hectors Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass es für Mathias kein Zurück mehr gab.
Trotzdem zögerte Mathias für den Bruchteil einer Sekunde, ehe er sich wieder hinhockte, sich zusammenriss, den Hammer hob und zuschlug.
Er traf Marcos Hand mit einem trockenen Knacken. Marco schrie auf. Erst ein lauter Schrei, dann ein langgezogenes Brüllen, das gar nicht mehr aufhören wollte.
Simone und Camillo rückten im Lieferwagen noch enger zusammen. Camillo hatte zu weinen begonnen, als er seinen großen Bruder mit den Rockern kämpfen und ihn dann vor Schmerzen schreien hörte.
Simone schob ihr Handy zurück in den Strumpf. Sie drehte ihre Hände so weit herum, wie es die Fesseln zuließen. Ihr Arm pochte wie die Hölle, und die Wunde hatte immer noch nicht zu bluten aufgehört. Sie sahen sich in die Augen, ohne etwas zu sagen.
*
Lars fuhr den Wagen.
Beide Männer schwiegen, als sie den Åboboulevard Richtung Nørrebro abfuhren. Jens schaute verwirrt durch die Scheiben. Die Stadt war ihm plötzlich so fremd, als sähe er sie zum ersten Mal, dabei war er schon tausendmal hier entlanggefahren.
In Höhe Blågårdsgade bekam Jens eine SMS . Er hielt das Handy in der Hand und sah auf das Display.
»Von Simone«, sagte er hektisch und öffnete die Mitteilung mit zittrigen Fingern. Leer. Sie hatte ihm eine leere SMS geschickt. Weil sie keine Möglichkeit hatte, etwas zu schreiben? Oder weil er ihr mal erzählt hatte, dass manche Leute das als Code benutzten, wenn sie in Schwierigkeiten waren? Er durfte sich nicht von der Angst übermannen lassen. Nicht daran denken, was ihr zugestoßen sein könnte. Was ihr zustoßen konnte. Konzentrier dich drauf, dass wir sie jetzt orten können. Jetzt würden sie sie finden. Er hatte nicht zu hoffen gewagt, dass sie ihr Handy noch hatte. Und noch weniger, dass sie eine Gelegenheit haben würde, es zu benutzen.
»Sollen wir umkehren?«, fragte Lars.
»Nein, wir fahren weiter«, sagte Jens. Sie waren nicht mehr weit von der Lundtoftegade entfernt. Das Sonnenlicht war greller als gestern. Die Geräusche lauter. Die Gerüche stärker. Er wurde mit Sinneseindrücken überschüttet. Oder funktionierte sein Filter nicht mehr? Jens fühlte sich mit einem Mal so hilflos. Wie ein Kind, das nicht weiß, was es tun soll, wenn es merkt, dass es vielleicht nie wieder nach Hause finden wird … Seine kleine Maus …
So.
Okay.
Höchste Zeit, sich am Riemen zu reißen. Er durfte sich nicht so gehenlassen. Das half Simone nicht weiter. Jens raffte sich innerlich auf. Er musste sich konzentrieren. Er würde sie finden.
Sein Telefon klingelte.
»Sie haben das Handy im Nordhafen von Kopenhagen geortet, Containervej. Ein Einsatzkommando ist unterwegs.«
»Danke. Wir fahren direkt dorthin«, sagte Jens, beendete das Gespräch und warf Lars einen Blick zu. »Sie sind im Nordhafen. Die Spezialeinheit ist unterwegs.«
Jens nannte ihm die Adresse. Lars kurbelte das Seitenfenster runter, setzte das Blaulicht aufs Dach, schaltet die Sirene ein und gab Gas.
Einen Augenblick später raste die Zivilstreife über eine rote Ampel und mit 130 km/h über den Bispeengbogen.
*
Es brauchte vier Mann, um Thomas festzuhalten.
Er hatte heftig Widerstand geleistet, einem der Anwärter einen harten Schlag gegen den Wangenknochen verpasst und sich damit einen Tritt in die Rippen eingehandelt. Jetzt saßen drei Männer auf ihm. Zwei hielten seine Beine, der dritte hockte auf seinem Rücken und hielt einen seiner Arme fest.
Jonas hielt Thomas’ anderen Arm gestreckt, so dass die Hand auf dem Asphalt lag.
Marco lag wimmernd neben ihm und begutachtete seine zertrümmerte Hand.
Mathias kniete sich mit erhobenem Hammer neben Thomas. Er war blass, aber ansonsten gefasst und entschlossen. Beim zweiten Mal war es irgendwie leichter.
Der Schlag fiel trocken und kraftvoll.
Simone und Camillo hörten das Geräusch von splitternden Knochen bis ins Auto.
Gefolgt von einem Schrei.
Die vier Anwärter, die Thomas festgehalten hatten, standen auf.
Hector ging vor Marco und Thomas in die Hocke. »Ich denke, ihr habt eure Lektion gelernt, oder?«, fragte er, während beiden sich aufzusetzen versuchten. Sie sahen leichenblass zu Hector hoch und sahen aus, als könnten
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