Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
Haubschen Evolutionstheorie der jahrtausendelang betriebene Handel auf Märkten unter freien Himmel, bei dem die Verkäufer ihre Stände morgens auf- und abends wieder abbauten. Dann verlagerte sich der Handel in geschlossene Räume, wobei der Händler weiterhin jeden Kunden beriet und ihm die Ware in die Hand drückte und kassierte – Handel 2.0. Der Sprung zu 3.0 erfolgte, zumindest in Deutschland, erst in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts, als die Selbstbedienungsläden ihren Siegeszug antraten. Und jetzt bildet der Onlinehandel die Stufe 4.0. »Das Bemerkenswerte ist, dass jetzt zum ersten Mal die Ware zum Kunden kommt, während jahrtausendelang der Kunde zur Ware kommen musste«, so Haub.
Und das hält er für eine so bedeutende und nachhaltige Strukturveränderung seiner Branche, dass er unbedingt dabei sein möchte. Was da passiert, darf seiner Meinung nach kein Händler mehr ignorieren: »Wir sind an der Schwelle zu einer gewaltigen Veränderung in unserem Einkaufsverhalten. Eigentlich sind wir schon drüber.«
Waren und Produkte, auch Dienstleistungen seien jetzt Dank des Internets zu jeder Tages- und Nachtzeit von jedem Ort der Welt aus verfügbar. Der Trend sei eindeutig, auch wenn die Umsatzprognosen für die kommenden Jahre je nach Quelle noch eine recht große Bandbreite aufwiesen. »Aber es ist da und es wird nicht wieder weggehen. Hier tut sich etwas ganz Gewaltiges, dessen Ende überhaupt nicht absehbar ist.« Die Onlineangebote würden die längst überfällige Konsolidierung des Einzelhandels, der sich in Deutschland etwa 25 Prozent zu viel Ladenfläche leiste, beschleunigen (WamS 2011). Es werde im E-Commerce-Zeitalter einen komplett neuen Service- und Firmen-Mix geben. »Das wird nicht jeder überleben«, prophezeite Haub.
Die Immobiliensparte seines eigenen Unternehmens wird wegen des zu erwartenden Nachfrageschwunds ihre Investitionen in Ladengebäude zurückfahren und das Geld anderswo investieren – etwa in Wohnungen. Selbst die Immobilienbranche verändert der Onlinehandel also bereits.
Einer seiner Zuhörer in der ersten Zuhörer-Reihe des Technikums wusste genau, was Haub meinte, als er über die fehlende Überlebensfähigkeit einiger Formate sprach. Henning Kreke, Chef der Douglas Holding, ist eines der prominentesten Opfer der Veränderungen im deutschsprachigen Raum: Seine Buchkaufhauskette Thalia hatte zu spät darauf reagiert, dass die Kunden Bücher inzwischen millionenfach bei Amazon und anderen Onlineanbietern bestellen und nicht mehr in den dreistöckigen Riesenläden in den Fußgängerzonen. Thalia stürzte komplett ab. Da half auch die Douglas-Beteiligung am Onliner buch.de wenig. Jetzt wird die Kette mit Millionenaufwand geschrumpft. Ob sie überhaupt am Markt bleibt, ist ungewiss.
Die Folgen dieser Strukturveränderung in der Buchbranche sind wirtschaftlich für die Douglas-Gruppe so dramatisch, dass sich die bisher maßgebliche Unternehmerfamilie Kreke den Finanzinvestor Advent International ins Haus geholt hat. Um die Rettung finanziell überhaupt stemmen zu können, haben die Krekes Advent sogar die klare Mehrheit an ihrem Konzern eingeräumt. Gegen die Finanzinvestoren läuft jetzt gar nichts mehr in der Hagener Zentrale.
Thalia ist im deutschsprachigen Raum bisher wohl das spektakulärste Beispiel dessen, was passiert, wenn ein Unternehmen die Auswirkungen der Online-Revolution unterschätzt. Gerade dann, wenn man mit einem Produkt handelt, das man – anders als Mode – nicht anprobieren muss, dessen Farbe oder Größe für den Kunden nicht falsch sein kann. Insbesondere Bücher ebenso wie CDs, DVDs oder digitale Spiele schreien deshalb geradezu nach dem Onlinevertrieb. Sie sind damit so eine Art Pionierpflanze einer neuen Handelslandschaft.
»Der Trend zum Online-Einkauf und zum digitalen Buch hält an«, weiß Kreke inzwischen. Und er weiß auch, dass zahlreiche Händler auf die Digitalisierung viel zu langsam reagiert haben: »Ich schließe uns da nicht aus. Der gesamte Handel in Deutschland befindet sich in einem tiefgreifenden Umbruch«, sagte Kreke bei der Bilanz-Pressekonferenz der Douglas Holding am 22. Januar 2013 in Düsseldorf. Den Ausgestaltungen dieses Umbruchs ist das Kapitel 3 dieses Buches gewidmet.
Karl-Erivan Haub kann Kollegen wie Kreke auf Kongressen inzwischen gelassen Tipps zum Thema »Handel 4.0« geben. Schließlich umfasst sein Tochterunternehmen Tengelmann E-Commerce inzwischen mehr als zwei Dutzend Beteiligungen an jungen
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