Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
Marktes. Von den deutschen Firmen waren die klassischen Versandhändler ganz gut im Geschäft, die Ottos, Quelles und die Neckermänner, mit Abstrichen auch noch deren stationäre Schwester Karstadt. Diese Klassiker der Versorgungsbranche beherrschten immerhin die hoch komplizierte Warenwirtschaft und die Logistik: Wenn ein Kunde hier etwas bestellte, konnte er einigermaßen sicher sein, dass der Artikel auch am Lager war und dann an der Haustür des Bestellers auch ankam. Zahllose Gründer mit viel Dynamik, aber wenig Erfahrung waren genau daran gescheitert. Sie hatten ihre Kunden frustriert, was die Chance auf abermalige Bestellungen gegen null reduzierte.
Online würde in Zukunft wichtig werden, das ahnten die meisten in der Handelsbranche schon. Aber wie wichtig würde es werden? Sollte man trotz der ernüchternden ersten Erfahrungen schon wieder investieren? Und überhaupt: Wann würde diese Zukunft denn beginnen, wann wollte der Kunde sie haben? Die meisten deutschen Händler – Otto und wenige andere ausgenommen – waren der Ansicht, dass es mit der Zukunft wohl noch ein wenig dauern würde. Vielleicht müsste sich der Nachfolger mal ernsthaft mit dem Thema beschäftigen, jetzt wäre es noch zu früh dafür.
Die Metro, Deutschlands größter Handelskonzern, hatte sich 2002 sogar vom Online-Geschäft wieder getrennt, nachdem sie zwei Jahre zuvor noch einer der ganz großen europäischen Spieler in diesem Markt hatte werden wollen. Sie verkaufte ihre Beteiligung an Primus Online, die Musik, Bücher, Videos, Spiele und Drogerieartikel angeblich im Wert von 100 Millionen Euro im Jahr über das Netz vertrieben hatte. Nachdem zuvor schon viele Onlinehändler wieder geschlossen hatten, zog auch Metro-Chef Hans-Joachim Körber den Stecker. Er hatte dem Onlinehandel ohnehin immer skeptisch gegenübergestanden. Sein Vorstandskollege Zygmunt Mierdorf umschrieb die neue Marschrichtung des größten deutschen Handelskonzerns mit einem abstrusen Satz: »Die heutige E-Commerce-Strategie der Metro beruht auf einer Stärkung der stationären Vertriebskanäle.« Mit anderen Worten: Unsere Onlinestrategie ist, dass wir Online nicht machen.
Diese Strategie rächte sich später fürchterlich: Der Konzern, zu dem neben Kaufhof, Real und dem Großhandel auch Media Markt und Saturn gehören, spielt im zukunftsträchtigen Internetgeschäft noch im Jahr 2013 keine bedeutende Rolle. Insbesondere Media Markt und Saturn haben den Anschluss an die schnellen Onlinekonkurrenten nach dem späten Re-Start im Herbst 2011 bis heute nicht gefunden. Elektronik, Computer, Fernseher oder andere technische Produkte bestellt der internetaffine Kunde etwa bei amazon.de , aber nicht bei mediamarkt.de . Die Metro-Tochter ist weiter auf der Suche nach ihrer Zukunftsperspektive.
Dass der Ausstieg aus dem Onlinehandel falsch war, mussten die Metro-Verantwortlichen schon bald erkennen. Schnell setzten andere Händler über den neuen Vertriebsweg nämlich Milliarden um. 2005, laut bvh zehn Jahre nach dem Beginn des Onlinehandels in Deutschland, kauften schon 25 Millionen Deutsche Online ein, der Umsatz lag bei 6,1 Milliarden Euro (Pressemitteilung bvh, »Zehn Jahre E-Commerce in Deutschland«, 21.11.2005). Angesichts von über 413 Milliarden Euro, die der deutsche Einzelhandel insgesamt in dem Jahr umsetzte, war das zwar immer noch eine winzige Nische, aber eine, die rasant größer wurde. Denn schon 2007 – im Jahr vor dem Marktstart von Zalando – hatte der Onlineumsatz in Deutschland laut bvh die Zehn-Milliarden-Schwelle überschritten. Spätestens jetzt konnte eigentlich kein Händler die Strukturverschiebungen in der Branche mehr ignorieren, zumal die Experten über Jahre hinaus von weiter deutlich zweistelligen Zuwachsraten ausgingen. Vielleicht nicht für alle Teilbranchen, aber für die meisten, auf jeden Fall für Schuhe und Textilien. An den Umsatz-Entwicklungen im Mutterland von Amazon und ebay, das Europa und vor allem Deutschland im E-Commerce weit voraus war, konnte längst jeder sehen, dass diese Prognosen nicht nur Spinnerei von irgendwelchen wachstumstrunkenen Internetfreaks waren, sondern Realität.
Zwar vollzog sich der Wandel in Deutschland und ganz Europa schleichend, doch zeichneten sich 2008 und 2009 zwei ganz besondere Wegmarken ab. Denn in diesem Zeitraum kann man die Wachablösung ganz konkret an den gegensätzlichen Entwicklungen zweier Firmen festmachen: Es war die Zeit von Arcandors Absturz und Zalandos Aufstieg.
Nach
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