Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
eigentlich braucht? Wir haben doch genug Läden. Tatsächlich wäre die Warenversorgung in Deutschland, der Schweiz oder Österreich wohl kaum zusammengebrochen, wenn es den E-Commerce nie gegeben hätte. Und doch: Er ist so praktisch.
Eine nie dagewesene Verfügbarkeit von Waren zur Auswahl, eine bisher unbekannt einfache Vergleichsmöglichkeit von Preisen und Produktdetails fast von jedem Ort der Welt aus zu jeder Tages- und Nachtzeit, eine immer schnellere Lieferung nach Hause oder ins Büro und unkomplizierte Rücksendung bei Nichtgefallen: Alles das spricht für den Einkauf, bei dem der Kunde keinen Laden mehr betreten muss. Dazu kommt die immer besser werdende Anschaulichkeit der Produkte auf den elektronischen, oft bereits mobilen Endgeräten. Vielfach gibt es inzwischen sogar Körperscanner, die sicherstellen sollen, dass Bestelltes und Besteller auch größenmäßig kompatibel sind. Dass man die Hose oder die Schuhe vor dem Kauf – anders als in jahrtausendelang eingeübter Beschaffungskultur üblich – nicht sehen, anfassen, riechen oder anprobieren kann, stört immer weniger Kunden. Notfalls schickt man es halt zurück.
»Durch den Onlineboom ist der stationäre Einkauf nicht mehr das alltägliche Ritual«, sagt Rheingold-Geschäftsführer Grünewald, »sondern das besondere Event.« Und damit ein selteneres. Der Nachteil aus der Sicht des Konsumpsychologen: »Die Befriedigung, dieses Glücksgefühl nach erfolgreicher Schlacht am Wühltisch da draußen in der Shoppingwelt ist größer und hält länger als beim bequemen DHL-Beutezug vom heimischen PC oder vom Smartphone unterwegs.«
Das jedoch wird den Siegeszug des DHL-Beutezugs kaum aufhalten können. Schließlich gibt es auch bei Zalando den »Sale«, bei dem die Kunden um die wenigen, stark rabattierten Stück in genau ihrer Größe kämpfen – und vielleicht noch ein wenig lauter vor Glück schreien, wenn sie denn tatsächlich ein um 60 Prozent reduziertes Stücke ihrer Lieblingsmarke erbeutet haben.
Fast jeder fünfte Euro, den die Deutschen für Mode ausgeben, wird bereits im Internet umgesetzt. Tendenz weiterhin stark steigend. »Online und Mobilfunk werden den Einzelhandel in den nächsten fünf Jahren stärker verändern als in den vergangenen 50«, ist sich Jochen Hiemeyer sicher, Chef der Konsumsparte beim Beratungsunternehmen Accenture. (Accenture: »The Seamless Consumer Speaks – Are Retailers Listening?«, Februar 2013)
»Die Schwelle Online einzukaufen, wird immer niedriger werden«, glaubt Unternehmer Ingo Heinrich sicher. Er betreibt mit »Stylefruits« eines jener social commerce-Unternehmen im Netz, bei dem sich die Nutzer gegenseitig beraten. Wer Lust dazu hat, kann Outfits mit Textilien verschiedenster Marken kombinieren. Andere Nutzer, meistens sind es Nutzerinnen, diskutieren dann Online darüber und können die Teile direkt bestellen. Etwa bei Zalando oder auf dem Webshop der Herstellermarke. Für Stylefruits und die anderen ähnlich ausgerichteten Seitenbetreiber fällt dann eine Provision ab.
Die Wissenschaft stimmt Heinrich in seinem Optimismus zu: »Die Entwicklung ist nicht umkehrbar. Das ist wie bei einem Eisberg: Wir sehen erst die Spitze und wissen nicht, was noch unter Wasser ist«, sagt EHI-Mann Hudetz. »Es wird auch weiterhin Läden geben. Der Großteil des Umsatzes in Deutschland wird sogar weiterhin in Läden gemacht werden.« Bis 2020 könnte nach seiner Schätzung in der Modebranche in Deutschland fast jeder zweite Euro um internet umgesetzt werden. Allerdings weiß er um die kurzen Haltbarkeiten solcher Umsatz-Vorhersagen: »Bisher waren fast alle Prognosen über den Onlineanteil am Gesamtumsatz zu konservativ, die Entwicklung hat sie immer schnell überholt.«
Gerhard Weber, Chef und Gründer des noch nicht sehr stark im Netz engagierten Modekonzerns »Gerry Weber« im westfälischen Halle, ist noch einer der Konservativeren, wenn es um die Schätzung des künftigen Online-Potenzials im Modehandel geht: »Die Entwicklung im E-Commerce verlief bisher immer rasanter, als Experten vorhergesagt haben. Ein Onlineanteil von 20 Prozent in der Textilbranche erscheint mir schon sehr hoch«.
»Eine Revolution oder gar einen Tsunami sehe ich im Onlinehandel noch nicht, aber ein sehr, sehr schnell wachsendes und dynamisches Geschäftsfeld«, sagt Adidas-Chef Herbert Hainer, »die Entwicklung im E-Commerce vollzieht sich so rasend schnell.«
Der zweitgrößte Sportartikelhersteller der Welt hat den E-Commerce
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