Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
Sowohl-als-auch-Händlern die Zukunft gehören wird. Jedenfalls ein großer Teil der Zukunft, weil sie von den Kunden besonders bequem zu erreichen sind. Dafür sollte der Multichannel-Anbieter allerdings beide Disziplinen so gut beherrschen wie jeder Spezialist, der sich nur auf eine dieser beiden Handelsarten konzentriert. Schon das deutet an: Richtig guter Multichannel-Handel ist richtig schwierig.
So schwierig, dass der »kreative Zerstörer« Oliver Samwer so tut, als kenne er nicht einmal den richtigen Namen dieser Gattung: »Crosschannel-Handel oder wie heißt das? Das kann man vergessen«, sagte er und erklärte Multichannel zu einer Idee der Verzweifelten, denen nichts mehr einfalle und nichts mehr helfen werde. Rocket oder Zalando betreiben kein Multichannel. So kann es nicht verwundern, dass Zalandos Geschäftsführer Ritter derselben Meinung ist wie sein Investor: »Multichannel ist nicht der Inbegriff für Zukunft, das glaube ich einfach nicht. Es ist sehr, sehr schwierig, beide Kanäle wirklich exzellent zu managen. Stationärer Handel und E-Commerce sind sehr unterschiedlich. Es ist ein sehr radikaler Kulturwandel in einem klassischen stationären Unternehmen notwendig, um daraus ein gut funktionierendes Multichannel-Unternehmen zu machen. Mir fällt im Moment niemand ein, der das wirklich schon gut gemacht hat.«
Mit ihrer ablehnenden Haltung allerdings steht die Zalando-Clique ziemlich allein da in der Handelslandschaft. »Es ist mir völlig unklar, warum Zalando bisher bestreitet, jemals Flagship-Stores in großen Städten aufmachen zu wollen. Dort würde die Marke auf eine ganz neue Art erlebbar werden, Zalando könnte zusätzliche Umsätze mitnehmen«, meint EHI-Mann Hudetz, räumt allerdings ein: »Wenn sie das täten, wären sie ein Laden wie jeder andere auch.« Gründer Robert Schneider stellt klar: »Wir haben keine Konzeption für Zalando-Läden in der Schublade. So etwas ist nicht geplant, wir sind und bleiben Onlinehändler. Dass wir in Berlin ein Outlet eröffnet haben, bedeutet nicht, dass Zalando eine Multichannel-Strategie ausprobiert,« (Gespräch 15.01.13, WamS)
Es wäre auch schwierig, die zahllosen Marken in einem Laden zu präsentieren. Das Dementi bedeutet aber nicht, dass es nicht bald Läden von Zalando-Eigenmarken wie Kiomi geben könnte, in denen die Produkte emotionsgeladen präsentiert würden. Die Marke hat bereits eine eigene Webseite unabhängig von der Hauptmarke Zalando. Das wäre dann zumindest eine Multichannel-Strategie für Zalandos Eigenmarken.
Grundsätzlich allerdings stellt sich die Frage schon, ob und wann es die großen Pure Player ernsthaft mit dem Laden- oder Showroombau versuchen. Immer mal wieder gibt es Nachrichten über Tests von Branchengrößen wie Amazon oder ebay, aber der ernsthafte Versuch, die führenden Positionen auch auf die stationäre Handelswelt zu übertragen, steht noch aus.
Die Vorteile des gut gemachten Multichannel-Handels sind etwa größere Wahlmöglichkeiten und mehr Flexibilität für die Kunden. Sie können sich im Internet vor dem Ladenbesuch über das gesuchte Produkt informieren oder eine Vorauswahl treffen. Oder die Reise des Kunden beginnt im Laden, wo er einen interessanten Artikel sieht, sich aber erst auf dem Rückweg oder zu Hause zum Kauf entschließen kann. Dann ordert er Online. Auch dann, wenn die passende Farbe oder Größe im Laden nicht vorrätig war oder er den Anzug nicht mitschleppen möchte. Immer mehr Händler haben in ihren Läden deshalb inzwischen iPads, mit denen der Kunde selber oder die Bedienung gleich in der Filiale die Produkte Online bestellt. Heute im Laden, morgen Online, übermorgen umgekehrt oder Kombinationen beider Einkaufsarten, alles geht beim Multichannel-Shopping.
»Kanal-Hopping« nennen Fachleute dieses Phänomen. Thomas Lipke, Präsident des Versandhandelsverbandes bvh, beschreibt das so: »Ein Konsument fotografiert den Code eines Produktes mittels Smartphone-App und wird auf die Mobile Website des Konkurrenten verwiesen. Spannende Wechselwirkungen zwischen Katalog, Web und Stationärgeschäft kommen dadurch zum Tragen, dass Kunden in einem Medium ihre Bedürfnisse entdecken, im anderen ihr Wunschprodukt recherchieren und in einem weiteren kaufen.« Für den Kunden ist diese Wahlmöglichkeit toll. Aber für die Händler »alles andere als trivial«, sagt Lipke, nämlich aufwändig, kompliziert und teuer. (bvh-Jahrespressekonferenz 2013, 12.02.2013, Hamburg)
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