Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
probieren sie alles aus – und bestellen dann doch bei einem anderen Händler Online, der sich die Beratungskosten gespart hat und das Kanu deshalb um ein paar Euro billiger anbieten kann.
Auch der Multichannel-Kunde ist halt schrecklich untreu und tut es mit jedem, der ihm in diesem Moment gerade attraktiver erscheint, und der ist oftmals, wie Zalando oder Amazon, ausschließlich im Netz zu finden. Vor allem lässt diese Kundenloyalität bei jenen Händlern zu wünschen übrig, die den Mix der vielen bekannten Top-Marken im Regal haben, den sogenannten Multilabel-Anbietern. »Nur etwa zehn Prozent der Stationär-Kunden eines Multimarken-Händlers nutzen auch dessen Online-Shop«, heißt es in einer Studie der Strategieberatung OC&C (Pressemitteilung, 12. März 2013) zum Multichannel-Handel in Deutschland. Ihnen gelinge nicht, ihre Marktanteile aus dem Ladengeschäft in den E-Commerce zu übertragen. Denn ihre Angebote sind austauschbar; Marc O’ Polo, S. Oliver oder Tommy Hilfinger kennt der Kunde, er kauft risikofrei einfach beim günstigsten Anbieter. Kein Wunder, dass es mit der Kundentreue bei Anbietern mit weniger austauschbaren Produkten deutlich besser aussieht. »Hier liegt der Anteil der Multichannel-Kunden bei etwa 25 Prozent. Einigen Händlern gelingt es sogar, 40 Prozent der Kunden über beide Kanäle hinweg zu binden«, sagt OC&C-Partner Gregor Enderle, dessen Team 2300 Verbraucher in Deutschland zum Thema befragt hatte. Er nennt als Musterbeispiele Tchibo – denn Tchibo-Produkte gibt es nur bei Tchibo, die wird kein Onlinehändler billiger anbieten. So entgehen die Tchibo-Produkte dem Haifischbecken von Preistransparenz und Vergleichbarkeit. Sogenannte vertikale Händler, die von der Planung über das Design bis zum Verkauf ihrer Produkte alles selber machen, bekämen die Übertragung ihrer Umsatzanteile aus den Ladenstraßen ins Netz ganz gut hin und seien ihrem »fairen Marktanteil« im Netz schon nahe – im Gegensatz zu Karstadt oder Kaufhof, obwohl die Warenhaus-Giganten schon seit über zehn Jahren im Netz vertreten sind. Ihre Produkte gibt es halt überall.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der OC&C-Studie wird deutlich, welche gewaltigen Umsatzchancen sich für Multichannel-Händler ergeben, wenn es ihnen gelingt, ihre schon vorhandenen Kunden nur ab und zu vom Fremdgehen abzuhalten. Immer mehr Anbieter versuchen das über auf das individuelle Kaufverhalten des Konsumenten abgestimmte Angebote per E-Mail oder SMS, per Gutscheine oder Bonuspunkt-Gutschrift, die man beim Online-Kauf sammelt und im Laden einlösen kann oder umgekehrt. Berater Enderle sieht dennoch reichlich Nachholbedarf im deutschsprachigen Raum: »Vielen Händlern fehlt es noch an Verständnis für die Bedürfnisse des Multichannel-Kunden.«
Und jener Kunde will sich auf seinem Smartphone etwa anzeigen lassen, ob ein Laden der gewünschten Kette in der Nähe ist, wie er dort hinkommt, ob er gerade geöffnet hat und vor allem, ob der grau-rote Sneaker in Größe 43 dort auch vorrätig ist.
Auch eine Studie der OC&C-Konkurrenz Accenture vertritt die These, dass viele Multichannel-Hersteller nicht verstanden haben, worum es bei der Verbindung der Ladenkette mit dem Onlineshop wirklich geht: Fast die Hälfte der bei einer Konsumentenstudie befragten Kunden in Deutschland sagten, dass die deutschen Händler an einem wesentlichen Punkt dringenden Nachholbedarf hätten: Produktsortiment, Preise, Discounts und Werbeaktionen sollten bitte in allen Vertriebskanälen dieselben sein. »Nahtlos« müsse das intermediale Einkaufserlebnis sein, folgert daraus Accenture. Die befragten Konzerne dagegen antworteten, dass sie vor allem in die Personalisierung von Angeboten auf ihre Kunden, die Erhöhung der Liefergeschwindigkeit und generell die Verbesserung der Qualität investierten. Von der besseren Vernetzung von Online und Offline, die sich zumindest die Hälfte der Kundschaft so sehr wünscht, ist da überhaupt nicht die Rede. (Accenture: »The Seamless Consumer Speaks – Are Retailers Listening?«, Februar 2013). Glaubt man dieser Studie, sprechen Kunden und Multichannel-Händler nicht dieselbe Sprache, was den reinen Onlinehändlern in die Karten spielt.
Allerdings sehen auch viele Onlinefans, dass die stationären Händler besser werden. »Die holen auf«, bestätigt Stylefruits-Mann Heinrich. Genau das könnte Zalando auf Dauer wehtun, glaubt Kay Hafner, der frühere Chef von Wal-Mart Deutschland. Sein früherer Arbeitgeber
Weitere Kostenlose Bücher