Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
Onlineunternehmen
kommen. Ins Produkt, in die Dienstleistung muss investiert werden, nicht in
Premium-Möbel oder so etwas.«
Und wie passt das unter das Dach eines etablierten
Großkonzerns, der jetzt auch den Onlinemarkt erobern will? »Sie müssen ein
Internetunternehmen völlig unabhängig von der stationären Sparte aufbauen. Was
im stationären Geschäft passiert, darf den Online-Bruder auf keinen Fall
beeinflussen. Vor allem müssen sie Online eine Kostenstruktur schaffen, die zu
diesem Kanal passt. Und die liegt unter der eines Ladennetzes. Aber wenn ich
beide Strukturen vermische, wenn ich dem Onlinehändler die Kostenstruktur eines
herkömmlichen Molochs aufdrücke, kann es nicht funktionieren. Weil ich auf
meiner Homepage dann Preise aufrufen muss, die gegenüber meinen
Online-Konkurrenten nicht konkurrenzfähig sind. Und dann kauft niemand bei
mir.«
Genau das bereitet vielen herkömmlichen Händlern offenbar
Schwierigkeiten: Sie wollen zu früh Synergien aus dem Betrieb beider Kanäle
ziehen. Und hindern die Internetsparte somit daran, sich der Online-Umwelt
entsprechend zu entwickeln und auszurichten. Und dann haben sie gegen die
Amazons oder Zalandos dieser Welt keine Chance.
Die Kunst ist es, die herkömmliche und die neue Handelswelt
innerhalb eines Konzerns so zu kombinieren, dass man in beiden Vertriebskanälen
exzellent ist und nur dort Synergien hebt, wo es der Kunde nicht bemerkt. Wenn
überhaupt. »Unsere Synergien sind Know how-Synergien, aber keine finanziellen«,
sagt Haub.
Gelohnt hat sich Haubs Zalando-Engagement dennoch schon jetzt,
auch finanziell. Nach dem Einstieg 2009 kam er zeitweise auf einen Anteil von
zehn Prozent. Als im Herbst 2012 die schwedische Investmentbank Kinnevik ihren
Anteil um zehn Prozentpunkte aufgestockt hat, gab Haub ebenso wie Holtzbrinck
Ventures und Rocket Internet einen Teil seines Zalando-Paketes ab. Kinnevik
zahlte nach eigenen Angaben für ein Zehntel Zalando 287 Millionen Euro. Rechnet
man diesen Preis auf das Gesamt-Unternehmen hoch, wäre Zalando um Oktober 2012
rund 2,8 Milliarden Euro wert gewesen, ohne auch nur einen Euro Gewinn erzielt
zu haben. Kinnevik-Chefin Mia Brunell Livfors war es das wert, für sie ist
Zalando »Europas führender Online-Schuh- und Modehändler«. Und deshalb sicherte
sich Kinnevik gleich noch eine Option auf weitere Zalando-Anteile im Wert von
100 Millionen Euro, was dreieinhalb zusätzlichen Prozentpunkten entspricht.
Ende Juni 2013 zog Kinnevik diese Option zu denselben Konditionen wie sie schon
im Oktober 2012 gegolten hatten. Auch diese Anteile kamen von den frühen
Eigentümern Tengelmann, Holtzbrinck und Rocket. Da der »Festpreis« Teil des
zweistufigen Zukauf-Deals der Schweden war, wurde Mitte 2013 der Wert von Zalando
leider nicht aktuell neu hochgerechnet. Er lag damit immer noch bei 2,8
Milliarden Euro. Einige Bank-Analysten indes halten diese Summe für viel zu
niedrig. Die US-Großbank Goldman Sachs etwa taxierte den Wert Zalandos in einer
Analyse des Kinnevik-Portfolios gar auf gigantische neun Milliarden Euro. Was
viele Experten nun wiederum für zu hoch halten.
Der Tengelmann-Chef hat nie öffentlich darüber gesprochen,
welchen Preis er für sein Zalando-Paket bezahlt hat. Erstmals bestätigt sich
bei den Recherchen für dieses Buch, dass sich das Engagement schon jetzt
gelohnt hat, weil er so früh eingestiegen ist. Und das, obwohl Zalando
weiterhin Geld verbrennt. Denn aus dem Unternehmen war hinter vorgehaltener
Hand zu erfahren, dass Haub einen »niedrigen zweistelligen Millionenbetrag«
investiert hat. »Das war mehr, als Zalando für dieses Jahr überhaupt an Umsatz
erwartete«, ist zu hören. Tatsächlich erzielte der Versender in Haubs
Einstiegsjahr 2009 rund sechs Millionen Euro Umsatz. Folglich hat Haub auf
jeden Fall mehr als sechs, wahrscheinlich eher zehn, zwölf oder noch mehr
Millionen Euro investiert. Angesichts dieser Zahlen war Haubs Einsatz
tatsächlich sehr mutig, fast schon wagemutig. Entsprechend wenig begeistert
sollen die Tengelmann-Gremien zunächst gewesen sein, als Haub mit diesem
Investitionskonzept für einen Verlustbringer kam. Für Zalando allerdings
bedeuteten die Tengelmann-Millionen einen Quantensprung – denn bisher hatte es
gerade 300 000 Euro Investorengeld eingesammelt. Damit waren jetzt genügend
Mittel für die ganz große Expansion vorhanden.
Auch wenn Tengelmann sich weiterhin nicht zu den Summen äußert,
kann man einigermaßen seriös eine Rechnung
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