Schreib und stirb (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
erledigen.“
SMS aus St. Moritz: „Zielobjekt hat Ticket nach Innsbruck gekauft, fährt mit Bahn Richtung Scuol. Wird dort voraussichtlich 12.00 umsteigen in Bus nach Lauders/A. Folgen oder zugreifen?“
SMS aus Aarau: „Haftbefehl abwarten, folgen.“
„Ich habe Sie erwartet, Herr Baumgarten.“ Mit einem kleinen Lächeln bat Cuno von Ottenfels seinen Gast herein. Der aber blieb auf der obersten Stufe der Aussentreppe stehen.
„Ich habe keine Zeit. Warum haben Sie mir die Szene mit Anatole Scheidegger verschwiegen, als ich Sie nach den Ereignissen vom Freitagabend fragte?“
Das Lächeln intensivierte sich. „Ich habe nicht gelogen, Herr Baumgarten, ich habe nur nicht die ganze Wahrheit gesagt.“
„Warum nicht? Warum schützen Sie Anatole Scheidegger?“
„Ach, mit Anatole hat das Ganze wenig zu tun, obwohl ich ihn sehr mag und hoffe, dass er Guido Bär nicht getötet hat. Aber Sie müssen wissen, dass ich gern mit den Menschen spiele. Ich habe mir erlaubt, diesmal Sie und Ihre Kollegen als Opfer auszusuchen. Ich habe mit mir selbst gewettet, ob Sie den Fall ohne mich lösen würden, und wie viel Zeit Sie dafür brauchten. Wenn Sie sich in eine falsche Richtung bewegt hätten, hätte ich Ihnen einen Hinweis gegeben, so wie gestern Ihrer Mitarbeiterin, als sie den Kriminalroman erwähnte. Aber jetzt wissen Sie ja, dass ich den Auftritt von Anatole beobachtet habe, und ich kann Ihnen versichern, dass ich Ihnen keine weiteren Fakten verschweige. Jedenfalls haben Sie mir ein grosses Vergnügen bereitet, und ich danke Ihnen dafür.“
Wortlos drehte Nick sich um und ging durchs Tor. Kultiviert, hatte Andrew gesagt. Zynisch und verantwortungslos kam der Sache schon näher.
Um zwölf Uhr zehn unterschrieb Cécile Dumont den Haftbefehl, und Pino faxte ihn sofort an die Polizeistelle in Scuol.
Um zwölf Uhr zwanzig, kurz vor der letzten Haltestelle in der Schweiz, setzte sich ein braun gebrannter Mann in Jeans und Sportjacke neben den elegant angezogenen Herrn, der im vorderen Teil des Busses Richtung Österreich reiste.
„Herr Scheidegger?“ fragte er leise und zeigte diskret seinen Ausweis. „Ich handle im Auftrag der Kantonspolizei Aargau. Wir werden gemeinsam in Martina aussteigen. Ich nehme an, wir können auf Handschellen verzichten.“
„Wann kommt er?“ Peter war ganz ungeduldig, obwohl er noch vor drei Tagen Anatole Scheidegger keinesfalls als Tatverdächtigen in Betracht gezogen hätte.
Pino schaute auf die Uhr. „Sie brauchen drei bis vier Stunden, je nach Verkehr. Zwischen fünf und sechs Uhr können wir mit ihnen rechnen.“ Pinos Freund hatte Anatole Scheidegger in Martina an eine Streife der Graubündner Kantonspolizei übergeben, die ihn nach Aarau fahren würde. „Frau Dumont und Gody sind in Bereitschaft, wir können anfangen, sobald er eintrifft. Ich habe noch ein paar Sachen zu erledigen, darf ich mich bis dann abmelden? Ihr wisst ja, wo ihr mich findet.“
„Ja, in Ordnung. Ich schlage vor, dass wir jetzt etwas essen gehen, später kommen wir vielleicht nicht mehr dazu. Nachher müssen wir uns vorbereiten auf die Befragung. Weiss jemand, ob er einen Anwalt mitbringt?“
„Anscheinend schweigt er und sagt mit Ausnahme von 'danke' und 'bitte' gar nichts. Ciao, bis später.“
„Warum ist er in Richtung Österreich geflüchtet und nicht nach Italien?“ fragte Nick nachdenklich, als er zusammen mit Peter und Angela in der Cafeteria sass, einen Teller mit Saucisson vaudois, Lauchgemüse und Kartoffeln vor sich.
Angela stellte die Gegenfrage: „Was soll ein deutschsprachiger Dichter in Italien? Er hat vor ein paar Jahren in Klagenfurt einen Preis gewonnen, vermutlich hat er dort Freunde und Bekannte.“ Sie hatte sich am reichhaltigen Salatbuffet bedient.
„Von dort ist es nicht weit bis nach Slowenien, wo er sich hätte verstecken können. Er wäre uns durch die Lappen gegangen ohne Beltrametti, das musst du zugeben, Chef.“ Peter biss genüsslich in ein Stück Brot, das zusammen mit Suppe, Schnitzel und Teigwaren sein Mittagessen bildete.
„Ja, das stimmt. Wir hatten auch Glück, dass der Haftbefehl rechtzeitig bei den Bündner Kollegen eintraf, das hätte sonst grosse Schwierigkeiten gegeben.“
Angela nickte. „Auf jeden Fall hat er sich durch seine Flucht verdächtig gemacht, es kommt schon fast einem Geständnis gleich. Im Programm des Literaturfestivals steht, dass er heute am frühen Abend nochmals einen Auftritt hat, besser gesagt hätte, und morgen
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