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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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eines Lords, einen Gentleman-Farmer in der Nähe von Cheltenham. Sein Vater, wütend darüber, dass er Kommunist war, enterbte ihn und ließ ihn ohne den sprichwörtlichen Penny zurück, konnte ihm aber nicht den Titel vorenthalten, den er zu gegebener Zeit erbte. Wogan wollte Tamara heiraten. Verständlich. Sie wollte ihn heiraten, aber die untrennbar mit dieser Ungeheuerlichkeit – der Ehe – verbundenen Zweifel veranlassten sie, vor der Heirat etliche Tage in einem überaus heftigen Konflikt mit sich selbst zu verbringen, die meisten davon mit mir. »Wie kann ich«, fragte sie, »Bill Rusts Witwe, einen englischen Lord heiraten?«
    »Ohne Weiteres«, sagte ich. (Zu jener Zeit machte in der Partei ein Witz die Runde, dass es die Kommunistische Partei vermutlich nicht schaffen würde, dass einer der Ihren ins Unterhaus gewählt wurde, aber dass sie keine Mühe hatte, Lords für die gerechte Sache zu gewinnen. Im Oberhaus saßen drei Kommunisten, und wenig später würde Wogan zu ihnen stoßen. Ein weiterer kommunistischer Aristokrat, Ivor Montague, war ins kommunistische China verliebt. Er machte das Riesenreich mit Tischtennis bekannt, wo dieser Sport bis heute floriert.)
    Tamara wollte Wogan heiraten. Verständlich. Er war vermutlich der am besten aussehende Mann, der mir je begegnet ist. Er hatte sämtliche Tugenden eines Aristokraten und keines seiner Laster. Er war ein wahrhaft liebenswerter Mann, und ich kenne niemanden, der nicht dieser Ansicht war. Aber sie stammte aus einer Familie von guten russischen Kommunisten und … »Natürlich solltest du ihn heiraten«, drängte ich als Romantikerin, für die es unerträglich war, dass bloße Politik einer wahren Liebe im Weg stehen sollte.
    Die Hochzeit fand in einem Haus irgendwo im Norden von London statt. Kein sehr großer Raum und nicht viele Leute darin. Wogan war unerschütterlich nett und freundlich, Tamara war vor Freude, Liebe und Zweifel halb außer sich, und dann war da Harry Pollitt, der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Großbritanniens. Wenn er auch bei Tamara nicht gerade den Brautführer spielte, so repräsentierte er doch die Billigung des Proletariats beider Länder. Er war in Begleitung seines engsten Mitarbeiters gekommen. Diese beiden kleinen, untersetzten Männer in ihren steifen Sonntagsanzügen waren unter diesen überaus merkwürdigen Umständen kraft ihres Charakters sehr präsent. Wer war sonst noch anwesend? Ich kann mich nur an zwei hochgewachsene, blonde junge Geschöpfe erinnern, die an einem Kaminsims lehnten, wohlwollend zuschauten und uns alle mit ihrem Charme überschütteten. Das waren Sally, Rosamond Lehmans Tochter von Wogan – zwei schöne Menschen hatten ein Mädchen gezeugt, an das sich jeder, der ihr je begegnet ist, als ein einzigartiges und liebenswertes Geschöpf erinnert –, und Patrick Kavanagh, der Poet und Schriftsteller. Die beiden waren entweder bereits verheiratet oder kurz davor. Sie sollte wenig später und ganz plötzlich sterben. Sally und Patrick hätten, wie Wogan und Tamara, viele glückliche Jahrzehnte miteinander verbringen sollen.
    Ich habe Wogan und Tamara zwei- oder dreimal mit Peter auf ihrer Farm besucht. Sein Vater mag ihn ohne einen Penny zurückgelassen haben, aber glücklicherweise müssen da ein oder zwei halbe Pennys von anderer Seite gekommen sein. Ihr Leben war ein Traum von Engländertum, ganz Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit auf dem Besitz eines Gentleman-Farmers, und Peter fuhr gern dorthin, ich gleichfalls.
    Tamara und Wogan fuhren oft nach Cheltenham, in eine Stadt, die seit dem Bürgerkrieg keinen aufrührerischen Gedanken gehabt haben kann, und verkauften auf den Straßen den
Daily Worker
an verwunderte Einwohner. Ich erinnerte mich an ebenso absurde Versuche meinerseits, in Salisbury (Südrhodesien) den kommunistischen
Guardian
in Vorstädten zu verkaufen, in denen ausschließlich weiße Kaffernhasser wohnten. Nachdem sie ihrer revolutionären Pflicht nachgekommen waren, gingen Wogan und Tamara in ihren Lieblings-Pub, in dem Farmarbeiter, darunter auch Angestellte von ihm, den
Daily Worker
kauften, weil sie Wogan mochten.
    Wogan hatte einen Besitz in Norditalien geerbt, und sie beschlossen, ihn aufzuteilen und den Bauern zu schenken, die ihn bearbeiteten. Bald kamen sie und flehten ihn an, ihn wieder zurückzunehmen oder wenigstens für sie zu verwalten, weil sie von den Grundbesitzern der Umgebung betrogen wurden. Tamara und Wogan konnten daran nichts

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