Schritte im Schatten (German Edition)
lud den Erdbeerverkäufer laut ein, mit heraufzukommen und ein paar von seinen Erdbeeren mit ihnen zu essen, der Mann lehnte ab, und Molly rannte die Treppe hinauf, mit einer großen Schüssel Erdbeeren, die wirklich erstklassig aussahen. Molly sah aus, als fühlte sie sich vor den Kopf gestoßen. Sie sagte, sie sei erst kürzlich aus Italien zurückgekehrt, und es sei ein Kulturschock, dass sie sich jetzt wieder dem englischen Klassensystem anpassen müsse. Anna sagte zu Molly, dass sie die Gefühle des Mannes verletzt habe. Und Molly ist ganz eindeutig nie auf die Idee gekommen, wie schockierend ihre ungehemmte Art wirken kann.
Ich sagte, ich wolle keine Erdbeeren, ich müsse weiter.
»Du musst sowieso gehen«, sagte Molly, »weil Richard kommt. Wir wollen ein Palaver über Tommys Zukunft abhalten. Aber setz dich, bis er kommt.«
Ich setzte mich und betrachtete eine Szene, wie von Bonnard gemalt, zwei hübsche Frauen mit ihren weißen Schüsseln voll roter Erdbeeren und Schlagsahne und der auf dem gelben Wein funkelnden Sonne, beide unverhohlen und gierig ihr kleines Festmahl genießend.
Ich dachte, welche anderen Sorgen Molly Jacobs auch haben mochte, Geld konnte keine von ihnen sein. Richard steckt nicht nur hinter Skies Unlimited, einer weltbekannten Firma, sondern auch noch hinter einem weiteren Dutzend anderer internationaler Unternehmen. Und er und Molly sind, wie ich mit Freuden sagen kann, gute Freunde, auf die zivilisierte, moderne Art.
Die Türglocke läutete, und Molly warf den in das Seidentuch eingewickelten Schlüssel hinunter. Sie und Anna lächelten sich an, ein Lächeln, das ich nicht zu interpretieren wusste – und dabei habe ich mir auf meinen psychologischen Scharfsinn immer etwas eingebildet –, bis sie sagte: »Er ist immer verärgert, wenn ich das tue. Er ist ein solcher Wichtigtuer.« Aber ich bin sicher, dass sie es liebevoll meinte.
Ich stand auf und sagte: »Ich hoffe, ihr nennt mich nicht Wichtigtuer, sobald ich euch den Rücken gekehrt habe.«
Aber Richard war eingetroffen. Er begrüßte mich nur flüchtig, und ich konnte sehen, dass er nur Augen für die beiden Frauen hatte. Ich beneidete ihn darum, dass er seine Probleme mit zwei so mitfühlenden Freundinnen erörtern konnte. Er war sportlich gekleidet, und Molly zog ihn auf: »Willst du einen Tag auf dem Land verbringen?«
Ich ging. Ich muss gestehen, dass ich es ungern tat. Es war eine so hinreißende Szene – diese ganz spezielle Freundschaft, die zwischen einem Mann und einer Frau nur möglich ist, wenn sie miteinander intim gewesen sind, und die hübsche kleine Anna Wulf, von der die literarische Welt so viel erwartet, und diese Sonntagmorgen-Szene, träge, langsam, bezaubernd.
Ich schlenderte weiter die Church Street hinunter und dachte, dass ich am nächsten Sonntag wieder vorbeikommen und mir die Ansprüche einer sehr alten Freundschaft gestatten würde.
Aus
The Journals of Philip Maxbury Westbourne
,
Theaterkritiker, Literat, Kolumnist
Das goldene Notizbuch
wurde von den Frauen anfangs keineswegs begeistert aufgenommen. Im Gegenteil, einige distanzierten sich von ihm, darunter auch solche, mit denen ich befreundet war, mit dem Tenor: Weshalb gibst du deine Geheimnisse preis? Aber dass die Frauen den Männern damals sehr kritisch gegenüberstanden, war kaum ein Geheimnis. Es waren Männer, die das Buch als Erste guthießen: Nicholas Tomalin, Edwin Muir, der mir ein paar Zeilen darüber schrieb, und in den Vereinigten Staaten Irving Howe, dann, ein wenig später, Hugh Leonard und, noch später, Robert Gottlieb, der mein Lektor wurde, zuerst bei Simon & Schuster und dann bei Knopf.
Ein unmittelbares Problem war, dass der Aufruhr bei Michael Joseph mit der Veröffentlichung des Buches zusammenfiel; das heißt, als die Firma über die Köpfe der dort arbeitenden Leute hinweg verkauft wurde, obwohl man ihnen versprochen hatte, dass sie jedem Verkauf zustimmen oder ihn ablehnen könnten, und daraufhin die Hälfte der Lektoren kündigte. Mein eigener Lektor mochte
Das goldene Notizbuch
nicht; er hatte es mir nie gesagt, aber ich habe es von anderen in der Firma erfahren.
Dann entdeckten die Feministinnen das Buch, in Großbritannien, in den Vereinigten Staaten, in Skandinavien, und es wurde zur »Bibel der Frauenbewegung«. Ein Buch, das so kühl geplant worden war, wurde, wie ich fand, hysterisch rezipiert. Das extremste Beispiel hierfür war, als in Schweden eine Schauspielerin zu mir sagte: »Ich habe nie
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