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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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etwas anderes gelesen als das blaue Notizbuch – oh nein, es gehört mir; mit Ihnen hat das nichts zu tun.«
    In Deutschland und Frankreich wurde der Roman erst knapp zehn Jahre später veröffentlicht, weil man ihn für zu aufrührerisch hielt. Als man endlich den Mut dazu hatte, war er sofort ein Erfolg und wurde von den Feministinnen vereinnahmt. In Frankreich erhielt er den Prix Medici für übersetzte Bücher. Mein Lektor in dem französischen Verlag Albin Michel war ein Amerikaner, Peter Israel, und er erzählte mir, dass er, als er
Das goldene Notizbuch
zum ersten Mal gelesen habe, so wütend gewesen sei, dass er es durchs Zimmer geschleudert und damit beinahe seine Freundin getroffen habe. Aber später freundete er sich damit an.
Das goldene Notizbuch
hat ihm seinen Erfolg in Frankreich zu verdanken.
    Es waren nicht nur Frauen, die den Roman als Abhandlung über ausschließlich ein Thema sahen. Während Frauen mich als eine der Ihren vereinnahmten und in dem Buch nichts sahen als das, was für sie von Interesse war, bekam ich Briefe von Männern und von Frauen über die Frage nach der so rasch in die Geschichte zurückweichenden Politik und über das Problem Wahnsinn. Die sechziger Jahre waren über uns hereingebrochen und damit die romantische Verklärung des Wahnsinns. Das Thema von Leuten, die »zusammenbrachen« und dadurch zu einem besseren Verständnis ihrer selbst und ihrer Zeit gelangten, war ganz nach dem Geschmack der sechziger Jahre. Ronnie Laing und seine Kollegen standen unmittelbar bevor. Angeblich waren sie es, die das Thema aufbrachten, es entdeckten, seine Urheber waren. Aber da bin ich nicht so sicher. In den fünfziger Jahren erschien ein Buch von einem gewissen Haimi Kaplan mit dem Titel
The Inner World of Mental Illness
. Es ist ein wundervolles Buch – menschlich, anständig, ausgeglichen –, mit Beispielen von Wahnsinnigen aus früheren Jahrhunderten ebenso wie aus unserem Jahrhundert. Ich glaube, dass sehr viele Leute dieses Buch gelesen haben, von ihm inspiriert wurden – aber es sich nicht eingestanden. So etwas kommt oft vor: Leute zollen jeder Quelle ihrer Inspiration Anerkennung, nur der wichtigsten nicht. Ich glaube, der Grund dafür ist weniger ein Widerstreben, jemandem Anerkennung zu zollen, der sie verdient hat, als vielmehr der, dass der ursprüngliche Eindruck so stark ist, dass er zu einem Teil des Inspirierten wird und es schwerfällt zu sagen: »Das war der Impuls, von diesem Punkt aus breche ich auf.«
    Ich bekam auch Briefe von Männern über den Krieg der Geschlechter, anerkennende Briefe. Ich habe immer Briefe von Männern über
Das goldene Notizbuch
bekommen. Regelmäßig, jahrein, jahraus, bekomme ich diesen: »Ich bin auf
Das goldene Notizbuch
gestoßen. Ich habe es meiner Frau/Freundin/Tochter gegeben.« Kürzlich erhielt ich einen Brief aus Mexiko: »Ich habe gerade
Das goldene Notizbuch
gelesen. Ich habe nie gewusst, dass Frauen auch über etwas anderes reden als nur über Männer und Babys. Ich habe es meiner Frau gegeben.«
    Dieser Brief an Edward Thompson, die Antwort auf einen, in dem er
Das goldene Notizbuch
vom linken Standpunkt aus kritisiert, spricht für sich selbst:
    Lieber Edward,
    vielen Dank für Deinen Brief – es war reizend von Dir, anzurufen, und reizend von Dir, mir zu schreiben.
    Gehen wir davon aus, dass es in Anbetracht unserer Temperamente gefährlich ist, eine solche Diskussion zu führen, zumal brieflich.
    1 . Ich verstehe nicht, wie jemand das G.N. als subjektiv bezeichnen kann – subjektive Einstellungen werden objektiviert und in Bezug zur Gesellschaft gesetzt – das ist jedenfalls das, was ich versucht habe.
    2 . Was die vergangene Geschichte der
New Left Review
angeht – nein, Edward, das ist keine akkurate Beschreibung dessen, was passiert ist, aber lassen wir das.
    3 . Ich bin der Überzeugung, zu behaupten, dass ich etwas sei, das aus dem Busch gekommen ist und dann von grellem Licht geblendet wurde, ist doch ein zu bequemer Ausweg, wenn man über die Perspektive des Außenseiters nachdenkt, die jemand mit meiner Vergangenheit über Europa haben muss.
    4 . Nein, mein lieber Edward, ich habe für meine imaginären Rezensionen nicht Texte aus sowjetischen Zeitungen kopiert. So seltsam das auch erscheinen mag, ich habe sie erfunden.
    Wenn ich einen Nachruf auf mich und
Das goldene Notizbuch
schreiben müsste, dann würde er darin bestehen, dass ich sehr schroff, ungefähr so wie eine ziemlich energische Gouvernante,

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