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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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andere Mann stammte aus Südamerika, halb Japaner, halb Spanier. Er hatte eine sehr große Wohnung, und jeder Gegenstand darin wäre eines Museums würdig gewesen. Er war sehr reich. Er hatte sexuelle Praktiken der subtilen und esoterischen Art in vielen Kulturen studiert und tat es noch. Im Gegensatz zu dem Mann auf der anderen Seite Londons sammelte er keine Frauen, denn ihm ging es darum, endlich die Frau zu finden, die in Sachen Liebe seine einzige Gefährtin sein würde, denn er behauptete, wahre Vollendung in der Liebe sei nur möglich, wenn zwei Körper und zwei Herzen und – darauf legte er großen Wert – auch zwei Seelen sich in vollständigem Einklang befänden, und das könne Monate und sogar Jahre dauern. Er verachtete Leute mit mehreren oder vielen Sex-Partnern oder sogar nur mehr als einem, er konnte sie nicht ernst nehmen. Bloße Amateure; sie verstanden überhaupt nichts. Seine Frau war seine Kollegin gewesen, sein Ideal, aber sie hatte darauf bestanden, Kinder zu bekommen, und deshalb hatten sie sich mit Bedauern getrennt. Sie lebte in einer Wohnung in der Nähe, und er war ihren Kindern ein guter Vater, aber wie er sagte, Kinder vertragen sich nicht gut mit dem erotischen Leben. Mit ihr hatte er Sex auf utilitaristische Art. Ich bin natürlich versucht, hier eine Chronik amouröser Abenteuer zu erfinden, ein Tagebuch geheimer Freuden, aber ich musste mir meinen Lebensunterhalt verdienen und für ein Kind sorgen. Mein interessanter Freund verstand das Problem gut; das Streben nach wahrer Liebe setzte, wie er oft sagte, ein verlässliches privates Einkommen und Kinderlosigkeit voraus. Wir trafen uns, bevor er London verließ und sich nach Spanien begab, von Zeit zu Zeit zu einer Mahlzeit und einem Gespräch, und ich erfuhr alles über seine augenblicklichen Recherchen und seufzte gelegentlich ein wenig, denn bestimmt gibt es erfreulichere Möglichkeiten, seine Zeit zu verbringen – aber schon diese Wortwahl erklärt, weshalb ich nie eine geeignete Kandidatin hätte sein können. Außerdem muss ich gestehen, vielleicht ein wenig beschämt, wie jemand, der eine wichtige Prüfung nicht bestanden hat, dass es für mich
auf die Dauer langweilig werden würde
. Er hatte ganz eindeutig recht, wenn er sagte, man müsse sich der Sache völlig hingeben, als suchte man nach dem Heiligen Gral oder dem Schlüssel zu einem mysteriösen, verborgenen Bereich – dem Wachstumszentrum –, andernfalls würde man die Verheerungen der Vergeblichkeit erleben, eine bittere Wüste.
     
    Vier Jahre nach meinem Einzug in die Langham Street starb Howard Samuels. Ich wurde ins Büro von Basil Samuels, Howards Bruder, zitiert und begegnete dem typischen hartherzigen Geschäftsmann, der auch noch stolz darauf war. »Ich sehe nicht ein, weshalb Künstler unterstützt werden sollten. Ich war immer anderer Ansicht als mein Bruder, er hat euch Leuten immer Almosen gegeben. Ist Ihnen klar, dass ich für Ihre Wohnung zehnmal so viel Miete bekommen könnte, wie Sie jetzt zahlen?« Was ich sah, war ganz eindeutig nur eine weitere Episode einer langjährigen Meinungsverschiedenheit oder sogar Gegnerschaft zwischen Brüdern, und sie war leicht zu verstehen, wenn man diesen schmallippigen, zornigen Geschäftsmann ansah und sich an den umgänglichen, charmanten, geistreichen – und linken – Howard Samuels erinnerte. Ich fragte, ob ich eine dreimonatige Kündigungsfrist haben könne, weil ich jeden Grund zu der Annahme gehabt hätte, dort auf Dauer bleiben zu können, und Zeit brauchte, um mir etwas anderes zu suchen. Endlich erklärte er sich bereit. Er tat es widerwillig, aber ich war ihm trotzdem dankbar.
    Und jetzt musste ich ein Haus finden: Zum Teil, weil Peter es sich so sehr wünschte, weil er dieses berühmte Dach über seinem Kopf brauchte, unser Dach, sicher und für immer; und zum Teil auch deshalb, weil ich, wie in Großbritannien üblich, einem so starken Druck ausgesetzt war, etwas zu besitzen. Wenn ich mein Konto überziehen musste, hieß es immer: Weshalb kaufen Sie kein Haus? Und alle Leute sagten: Weshalb wirfst du dein Geld für Miete aus dem Fenster? Steck es in eine Hypothek. Denn in diesem Land genügt es nicht, wenn man sein Geld für Miete ausgibt: Der Mangel an Ehrgeiz, sein eigenes Dach zu besitzen, verrät unseriöse, wenn nicht sogar bohemehafte Tendenzen.
    Diesmal suchte ich nach einem Haus in nur einer Gegend, in Camden Town. Ich fand eines in einer Straße, in der wenig später viele berühmte

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