Schritte im Schatten (German Edition)
eine Frage des Geldes. Etwas Dunkles und Dubioses lauert hier; ein uneingestandenes Bedürfnis wird befriedigt. Es gibt nichts Demütigenderes für einen Autor, als auf eine Reise nach, sagen wir, Manchester (oder Detroit) geschickt zu werden und dort in einer x-beliebigen Buchhandlung vor einem Stapel Bücher sitzen zu müssen, und niemand taucht auf, um ein Buch zu kaufen oder auch nur signieren zu lassen. Ich habe selbst erlebt, wie junge Autoren dieser Qual ausgesetzt wurden.
Oder nehmen wir eine Buchmesse. Jeder Verleger präsentiert eine Schar Autoren, die darauf warten, Bücher zu signieren. Vor den prominenten Autoren stehen die üblichen Schlangen. Die weniger bekannten, die genauso gut sein können, sitzen eine Stunde, zwei Stunden da, ohne dass auch nur jemand in ihre Nähe kommt. Um was geht es hier eigentlich? Doch sicher nicht ums Verkaufen von Büchern? Nein, der Verleger stellt seine Autoren vor den anderen Verlegern zur Schau: Seht her, wen ich alles in
meinem
Stall habe.
Beim Harbourfront Literary Festival in Toronto wurde ich von Folgendem Zeuge: Ich kam in den Empfangsbereich und sah Michael Holroyd, einen der besten unter den jetzt lebenden Biografen. Er war bleich, benommen, vor Erschöpfung dem Zusammenbruch nahe. Sein Verleger hatte ihn kurz hintereinander in drei verschiedene Städte in den Vereinigten Staaten geschickt (drei Flüge!), um seine Bücher über Bernard Shaw zu »promoten«. In einer dieser Städte war ein Fernsehinterview abgesetzt worden, aber das erfuhr er erst, als er bereits im Studio eingetroffen war. Auf der zweiten Reise wurde er von jemandem interviewt, der etwas über Lynne Reid Banks erfahren wollte; aber er war mit Margaret Drabble verheiratet. Auf der dritten Reise wusste der Interviewer überhaupt nicht, worüber Holroyd geschrieben hatte. Es wurde ein Interview mit mehr als dem üblichen Maß an Schwachsinn. Diese Art von Ausbeutung – und Demütigung – des Schriftstellers ist heute an der Tagesordnung. Erst letzte Woche soll jemand gesagt haben: »Sie sollten in Gräben entlang und durch Schlamm kriechen.« Womit die Autoren gemeint waren, die ihre Bücher promoten.
Nicht zu vergessen Folgendes: Verleger, selbst die besten unter ihnen, erleben Momente, in denen sie es als irritierend oder sogar unerträglich empfinden, dass die Fähigkeit von Schriftstellern, gute Bücher zu schreiben, unbeherrschbar ist. Alles lässt sich kontrollieren, das aber nicht. Man kann Autoren, die stets so von sich eingenommen daherkommen, losschicken, um sie Bücher signieren oder idiotische Interviews geben zu lassen. Man kann sie durch diese Reifen springen und das sogar in ihren Vertrag schreiben lassen. Oft versuchen Verleger sogar, ohne die Autoren auszukommen. Sie kommen mit »Systemen« an, mit deren Hilfe angeblich aus zuvor in Computer eingegebenen Handlungsabläufen Romane generiert werden können. Doch seltsamerweise verfügt das dabei Entstandene nicht über die Spannung und den Gehalt, die immer noch die Grundlagen ihres Verlagsgeschäfts sind. Das ertragen die Verleger nicht. Der Umstand, dass die Autoren es oft genug selbst als ziemlich irritierend empfinden, dass ihre besten Arbeiten schwer zu definieren sind, tröstet die Verleger nicht.
Eine Szene: Eine Gruppe mächtiger New Yorker Verleger sitzt in einem eleganten Restaurant an einem Tisch beim Essen. Sie vergessen, dass ein armer kleiner Autor (nicht ich) anwesend ist. Sie prahlen mit ihrer Macht. »Wir machen sie, und wir zerbrechen sie.« Aber vielleicht haben sie den Autor ja gar nicht vergessen: Sie brauchen einen Zeugen für ihre Arroganz.
Ein berühmter New Yorker Verleger liebte es, sich vorzustellen, wie er alle »seine« Autoren sicher in nebeneinanderliegenden kleinen Cottages unterbrachte, wie Pferde. Wir würden den ganzen Tag über eingeschlossen bleiben, damit wir mit unserer Arbeit vorankämen, aber abends würde man uns für drei oder vier Stunden herauslassen, damit wir unserem unwichtigen Privatleben nachgehen könnten, aber um Mitternacht würden wir wieder eingeschlossen. Ein Scherz!
Dennoch bleibt dieses Irrlicht, dieses Glühwürmchen, das Schöpferische in der Leistung der Kunst schwer fassbar. Die Filmindustrie versucht es zu kaufen. Das ist so, seit es Filme gibt. Da liegt ein Roman mit diesem gewissen Etwas vor. Die Filmgesellschaft kauft den Roman. Der Autor, sofern durch Erfahrung klug, lächelt vielleicht leise. Die Filmgesellschaft überschüttet den Autor mit Komplimenten.
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