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Schroders Schweigen

Schroders Schweigen

Titel: Schroders Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amity Gaige
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wieder.«
    Nachdem sie das gesagt hatte, war sie erschöpft und beugte sich ein wenig vornüber.
    »Natürlich geht’s «, sagte ich. » Natürlich geht’s dir gut.«
    Ich schaltete ihre Nachttischlampe an.
    »Nein.« Sie kniff die Augen zusammen. »Mach das wieder aus, Papa. Viel zu hell.«
    »Du hast recht«, sagte ich und gehorchte, und wir saßen in der flackernden Dunkelheit. »Ich wette mit dir, wenn wir hier sitzen und ich dir eine lange und interessante Geschichte erzähle, kannst du wieder ganz normal atmen und schläfst sofort ein. Wär das was? Komm mal rüber. Und setz dich gerade hin. Das hilft dir immer beim Atmen, stimmt’s? Gerade sitzen?«
    Sie rang sich ein Lächeln ab, und ich schüttelte sämtliche Kissen hinter ihr auf.
    Lieber Gott, dachte ich. Jetzt nicht das.
    »Meine Geschichte«, begann ich, »heißt ›Das Kamel vom Boston Common‹.«
    Ich wartete. Keuchend ging ihr Atem in der Dunkelheit. Ruhe bewahren, sagte ich zu mir. Ruhe zu bewahren wäre meine wichtigste und einzige Funktion. Ihr Leiden – darf ich das so nennen? – hatte sich manifestiert, als sie ungefähr vier war, irgendwann während des Schlussakts der Ehe ihrer Eltern, und vielleicht hielt ich aus dem Grund ihr Asthma nie ausschließlich für ein körperliches Problem. Vielmehr sah ich in ihrer Krankheit etwas Metaphorisches, die Gefahr von seelischer Erstickung. Was nicht heißen soll, dass ich medizinische Maßnahmen ignoriert hätte. Ich war ja dabei, als die Behandlung verordnet wurde – sowie ein kleiner Albuterol-Inhalator, den sie kurzerhand mit Glitzeraufklebern versah. Kein schwerer Fall, sagte der Kinderarzt. Könnte viel schlimmer sein. Aber sie sollte das Gerät unbedingt immer dabeihaben.
    »Es war einmal vor langer, langer Zeit ein Kamel, das hatte sich in Boston verirrt. Es – äh – es war vorher noch nie in Boston gewesen, also wusste es nicht, dass die Leute in Boston Vorurteile gegen Kamele haben. Es gab sogar einen Schießbefehl gegen Kamele – ein undurchsichtiges Gesetz, das die Kamelaktivisten abschaffen wollten, aber immer wieder hatten sie zu wenig Stimmen, wegen der Vetternwirtschaft und der unter den Ratsherren grassierenden Kamelgegnerschaft. Wie geht’s denn so?«
    Pfeifend holte sie Luft und nickte.
    »Okay? Großartig. Okay. Also, dieses Kamel – es hieß Alal – hatte sich blöderweise in Boston total verlaufen und war von seiner, was eigentlich, von seiner Herde getrennt worden. Aber überall, wo Alal auftauchte, waren die Leute schrecklich unfreundlich zu ihm, du buckliges Ungeheuer, du dussliger Paarhufer, sagten sie, und niemand wollte ihm verraten, wo es zur Sahara ging. Irgendwo ungefähr Boylston Street / Ecke Arlington entdeckte er ein hübsches Stückchen Rasen. Es war der allseits bekannte Boston Common.«
    »Papa?«
    »Ja, Zuckerschnecke?«
    »Kann ich meinen Inhalator haben?«
    Ich würgte den Stein hinunter, der mir im Hals saß. »Wie du dich vielleicht erinnerst«, sagte ich, »ist dein Inhalator in deinem Rucksack. Und der ist in Vermont.«
    Sie wandte mir den Kopf zu, stützte die Wange in die Hand und seufzte wie ein uraltes Weib.
    »Wir können dir natürlich einen neuen Inhalator besorgen. Aber nicht jetzt sofort. Will sagen, um drei Uhr, mitten in der Nacht. Morgen früh suchen wir uns als Erstes eine Apotheke.«
    Im flackernden Licht sah sie mich an. Ihr irgendwie leerer und sachlicher Blick ließ mich innehalten.
    »Keine Angst«, sagte ich.
    Sie nickte.
    »Keine Angst haben. Das macht alles nur schlimmer.«
    »Es fühlt sich an, als würde – jemand – versuchen –«
    »Versuchen –«
    »– meinenHalsmiteinerSchnurzusammenzubinden.«
    »Meadow, das würde ich doch niemals zulassen. Ist gut? So was darfst du dir gar nicht erst ausmalen.« Ich setzte mich auf. »Ich weiß, was hilft.«
    Damit ging ich ins Badezimmer, drehte die Wasserhähne auf und rief ins Zimmer hinein: »Früher als Junge hatte ich auch immer Atembeschwerden. Hab ich dir das schon mal erzählt? Das war damals in der DDR. Die Medizin war damals nicht sehr fortschrittlich. Wir hatten keine Inhalationsgeräte. Wenn’s richtig schlimm war, wurde man ins Krankenhaus gebracht und kriegte einen Schlauch in die Nase gesteckt.« Ich kam aus dem Badezimmer, zog die Bettdecke zurück und hob sie vorsichtig hoch. »Also suchte meine Mutter natürlich nach irgendwelchen Hausmitteln. Eukalyptus. Stoßgebete zur Mondgöttin, was weiß ich. Aber das Einzige, was zu helfen schien« – ich setzte Meadow

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