Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)
zum Hafen zu einer Stelle, wo einige Fischerboote lagen. Er lächelte stolz. Schröder verstand. Michele besaß ein eigenes Boot. Er würde ihn aufs Festland übersetzen.
Sie gingen zurück in die Küche. Michele verließ den Raum wieder und kam zurück mit einem hellen Sommerhut, den er Schröder auf den Kopf drückte. Dann entnahm er seiner Brusttasche eine rote herzförmige Sonnenbrille und setzte sie Schröder auf. Er trat einen Schritt zurück, musterte ihn, breitete schließlich seine Arme aus und lachte laut, wobei er seine Hände in die üppigen Hüften stützte. Schröder würde nicht einmal auffällig wirken, denn hier lief jeder dritte mit Sommerhut und Sonnenbrille herum.
Wortlos drehte sich Michele um und ging voran. Sie eilten eine schmale Gasse hinab, die sie gleich zum Hafen führte. Dort schritt Michele geradewegs auf ein Fischerboot zu, das in kräftigen Farben bemalt war, obwohl es seine besten Tage schon längst hinter sich hatte. Aber es schien seetüchtig zu sein.
Schröder betrat das hölzerne Deck und ging gleich in die Kajüte, in der es aussah, als hätte jemand eine Granate hineingeworfen. Es stank außerdem nach vergammeltem Fisch. Michele warf den Diesel an und löste die Leinen. Er manövrierte das Boot routiniert aus der engen Anlegebox und fuhr in die Hafenmole.
Nach kurzer Zeit hatten sie das offene Meer erreicht. Ein leises Rauschen war zu vernehmen. Über ihnen hatte sich ein riesiger Cumulonimbus aufgetürmt, schwarz und bedrohlich. Bald würde ein tosendes Gewitter losbrechen. Ein Grollen war zu hören. Der Himmel verdunkelte sich innerhalb kurzer Zeit. Der erste Blitz zuckte. Ein Knall durchschnitt die Stille. Eine Minute später kräuselte sich das Wasser. Der Wind wurde stärker. Micheles Hemd und Haare flatterten. Fröhlich rief er irgendetwas und winkte Schröder zum Steuer. Er deutete ihm an, das Ruder zu übernehmen. Dann verschloss er die Kajüte, um sie vor dem drohenden Regen zu schützen.
Als Michele zurück war, kamen die ersten Böen. Bei starkem Seegang war die Meerenge von Messina die Hölle. Schröder blickte voller Sorgen auf den Mann, der jetzt wieder das Steuer übernommen hatte. Micheles Gesicht aber, von Sonne und Meeresluft gegerbt, lachte. Er war in seinem Element. Er kaute am Stummel eines angerauchten Zigarillos, während seine Augen die See beobachteten.
Der Wind ließ das Wasser aufschäumen und spritzte es gegen die Scheiben des Führerstandes. Die Wanten und Leinen schlugen gegen den Fahnenmast. Der Bug des Bootes bäumte sich auf, um gleich darauf wieder in ein Wellental zu fallen. Geschickt steuerte der kleine Sizilianer seine Nussschale durch das stürmische Meer, ohne dabei einen Augenblick seine Ruhe zu verlieren. Er war sein eigener Herr, hier konnte ihm niemand auf der ganzen Welt Vorschriften machen. Und das genoss er wie ein kleiner Junge das Reiten seines Schaukelpferdes.
In der Mitte der Meerenge lenkte er das Boot nach Norden. Bald waren sie den gefährlichen Strömungen entronnen. Die Küstenlinie schwenkte nach Osten. Der Sturm wütete zwar immer noch, jedoch waren die Wellen hier etwas niedriger, weil das Wasser mehr Platz zum Auslaufen hatte. Sie fuhren in Sichtweite an der Küste des kalabrischen Festlandes entlang. Allmählich schlug Schröder die Schaukelei auf den Magen. Er hielt sich den Bauch. Michele beobachtete ihn, lachte lauthals und schüttelte den Kopf.
Mittlerweile hatte sich der Himmel aufgetan. Dicke Wassertropfen schlugen tosend auf das Deck des Schiffes. Die Sicht verschlechterte sich, so dass Michele näher an die Küste heran steuern musste, um sich zu orientieren. Schröder beruhigte der Gedanke, dass dieser kleine Mann die Küste doch hoffentlich kennen würde. Nach einer Zeit, die Schröder nicht abschätzen konnte, zeigte Michele mit ausgestrecktem Arm Richtung Land. Schröder konnte schemenhaft in peitschendem Regen eine Hafenmauer erkennen. Bei dem Gedanken, dass Michele bei diesem Seegang dort das Boot anlegen wollte, erschrak er. Michele aber stellte sein Ruder fest und holte Schröder zu dem kleinen Kartenpult. Er würde ihn in Lido di Palmi südlich von Giòia Tàuro an Land lassen. Michele versuchte ihm etwas zu erklären. Er deutete immer wieder auf die Karte. Schröder verstand: Gleich in der Nähe, an der Küste entlang, verlief die Bahnstrecke, die von der Südspitze Italiens nach Norden führte. Er nickte. Michele grinste und schlug ihm auf die Schulter.
Wenn er an Land war, würde er
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