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SchrottT (German Edition)

SchrottT (German Edition)

Titel: SchrottT (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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Heidelberg, Nachtschicht
     
    Die Länglich Observation GmbH lag in einem unscheinbaren Gebäude in der Nähe der Rudolf-Diesel-Straße. Das Industriegebiet in der Nähe des alten Güterbahnhofs lag verlassen da. Der Nieselregen war nur in den Lichtkegeln der Natriumdampflampen sichtbar – spüren konnte ihn Colin überall.
    Um Viertel vor zehn betrat Colin das Foyer seines inzwischen gewohnten Arbeitsplatzes. Die obligatorische Leibesvisitation führte ein wortkarger Schrank namens Evangelos durch, den Colin schon vom Vortag kannte. Der Grieche hielt sich anscheinend für etwas Besseres und Praktikanten für ein notwendiges Übel, das es nicht anders verdient hatte, als gedemütigt zu werden. Colin überlegte, ob er den Schrank auf die Tatsache hinweisen sollte, dass er der Stiefsohn seines Brötchengebers war. Aber er verkniff sich die Anmerkung, weil er am liebsten vergessen hätte, dass sie der Wahrheit entsprach.
    Der Metalldetektor zwitscherte in Colins Lendenbereich.
    »Alle Taschen leeren«, brummte der Schrank.
    »Hab ich doch«, sagte Colin und zeigte auf Schlüssel und Handy, die er in eine Plastiktüte gelegt hatte, die ihm beim Verlassen des Gebäudes wieder ausgehändigt werden würde.
    »Dann muss es drunter sein«, rumpelte der Schrank. »Hose runter.«
    »Bitte?«
    Gleichzeitig wurden Colin zwei Dinge klar, als er in das steinerne Gesicht seiner Nemesis hinaufsah: Erstens würde dieser sein Kommando nicht wiederholen. Zweitens kam er zu spät zum Dienst, wenn er hier noch länger aufgehalten wurde.
    Glücklicherweise trug Colin frische Unterwäsche. Er knöpfte die Hose auf und ließ sie bis zu den Knöcheln fallen. Der Schrank ließ den Metalldetektor einmal um Colins Lenden kreisen und streichelte viel länger als nötig seinen Schwanz. Der fiepte nicht, was den Schrank kaum merklich enttäuschte.
    »Ich muss jetzt wirklich dringend zu meiner Schicht«, sagte Colin eindringlich.
    »Bist die Mühe nicht wert«, beschied der Schrank. »Hose hoch und ab dafür.«
    Das ließ sich Colin nicht zweimal sagen. Er verkniff sich jeden Kommentar und machte, dass er an seinen Arbeitsplatz kam.
    Das Großraumbüro war dunkel. Nur über der letzten Reihe brannte Licht. Da saß die Ober-Observation vom Dienst und ging ihren höheren Aufgaben nach.
    Ansonsten glommen nur hier und da die funzeligen Schreibtischlampen, die hauptsächlich dazu dienten, die Überwacher vom Einschlafen abzuhalten. Das restliche Licht verbreiteten die Bildschirme, auf denen Bilder von Überwachungskameras zu sehen waren.
    Colin steckte die Hände in die Hosentaschen. Etwas Kühles berührte einen Finger. Colin zog es hervor. Ein 50-Cent-Stück. Ein griechisches noch dazu. Verdammt selten hierzulande. Colin runzelte die Stirn. Wo kam das her? Er hielt inne. Ganz sicher war das der Grund für die Reaktion des Metalldetektors gewesen.
    Colin setzte sich an seinen Arbeitsplatz in Reihe 8, Platz D. Er zog den Zeigefinger über das biometrische Erkennungsgerät. Augenblicke später wurden sechs Bildschirme hell. Der mittlere zeigte einen vollbusigen Mädchen-Avatar mit Sprechblase: »Willkommen, Colin Weinland. Deine heutige Schicht endet um null-sechs Uhr. Das Motto des Tages lautet: Niemand lebt allein. Ich wünsche dir allzeit offene Augen.«
    »Danke«, murmelte Colin. Das Bild in der Mitte wechselte, und fürderhin zeigten alle Schirme Personen, die vor Bildschirmen saßen – nur einer zeigte einen unbesetzten Arbeitsplatz. Von den meisten Kollegen sah Colin nur den Rücken. Bloß wenn sich einer zur Seite drehte, wurde gelegentlich ein Profil vor dem Hintergrund heller Bildschirme erkennbar.
    Aber Colin musste diese Menschen nicht kennen. Er musste nur darauf achten, ob sich einer verdächtig benahm. In dem Fall musste er lediglich den betreffenden Bildschirm berühren, und ein anderer, zufällig ausgewählter Überwacher würde eine Meldung bekommen und die Aufzeichnung zeitnah prüfen. Vier-Augen-Prinzip nannte sich das. Ein Garant für ordnungsgemäße Arbeit: Falscher Alarm wurde damit ebenso ausgeschlossen wie böswilliges Anschwärzen.
    Eine laute Stimme schreckte Colin auf.
    »Gerade noch rechtzeitig«, hechelte der Kerl, der sich auf den Stuhl am Arbeitsplatz neben Colin fallen ließ.
    »N’ohmnd«, grüßte Colin amüsiert und wunderte sich selbst, dass er in die kurpfälzische Mundart verfiel. Er riss sich zusammen und nahm sich vor, seiner Freude über eine nicht völlig einsame Nacht anders Ausdruck

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