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Schubumkehr

Schubumkehr

Titel: Schubumkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Menasse
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Schwammerlstein und all die anderen. Ein Stein, der wie ein Affenschädel aussah, oder einer, der aussah wie ein Pilz. Na und. Das war fad. Aber der Teufelstein. Bruno kannte den Teufelstein. Der war da in Komprechts, gleich unten am See. Und er wußte, der hatte wirklich oben eine Mulde. Aber konnte die Geschichte stimmen? Er hatte mit Schalko ausgemacht, daß sie am Nachmittag hingingen, es ausprobierten. Wird nichts sein. Sicher, was soll schon sein. Beide taten so, als könnte ihnen nichts passieren. Aber ausprobieren wollten sie es beide. Zu zweit. Wird nichts sein. Sicher nicht.
    Zu Hause, beim Mittagessen, hatte Bruno gleich seine Mutter gefragt. Ob die Geschichte vom Teufelstein stimme? Welche Geschichte? Daß der Teufel einmal auf diesem Stein gesessen habe, und daß dadurch eine Mulde oben auf dem Stein entstanden sei? Und daß es heute noch kein Mensch aushalte, auf dem Stein zu sitzen, daß man gleich wieder runterspringen müsse, weil einem ganz komisch werde, in dieser Mulde, die der Teufel gemacht habe, wie er da so unruhig hin und her gewetzt sei auf dem Stein, richtig Angst soll man kriegen, und dann müsse man gleich wieder runterspringen. Weil da die Dings drinnen sein sollen vom Teufel, so Strahlen, man spüre sie immer noch, und deshalb –
    Er solle nicht so zappeln, hatte die Mutter gesagt, und was das für eine Geschichte sei, wo er die denn her habe, aus der Schule, Heimatkunde, also Sachen lernt ihr. Und warum hätte denn der Teufel ausgerechnet auf diesem Stein unten beim See sitzen sollen, ob der Lehrer das auch erzählt habe?
    Weil er einen Pakt gemacht habe mit dem Grafen von Peugen, er habe dem Grafen versprochen, alle Steine in Gold zu verwandeln, wenn der Graf die Kirchen anzünden lasse, und von dem Stein aus habe der Teufel zuschauen wollen, wie unsere Kirche in Komprechts abbrennt, und von dort hätte er auch die Flammen am Himmel sehen können von den Kirchen in Peugen und Schruns und Schweigarts, aber die Menschen hätten das Feuer gleich entdeckt und gelöscht, und der Teufel sei in die Hölle zurückgefahren, und seitdem heiße der Stein Teufelstein, weil da die Mulde zurückgeblieben sei, wo er gesessen habe.
    Er solle essen und nicht so viel reden, sonst werde das Essen kalt, hatte seine Mutter gesagt, und das sei eine Legende, was das sei, eine Legende, eine Legende sei nicht so schlimm wie ein Aberglaube, aber trotzdem nicht verbürgt, was heiße verbürgt, das heiße, daß man nicht sagen könne, ob das gewesen sei oder irgend etwas anderes, was die Phantasie der Menschen – jedenfalls, er solle immer schön zum lieben Gott beten, damit er ihn stark mache, und der Teufel ihn nicht in Versuchung führen könne.
    Der Schalko ist zuerst raufgeklettert, hatte sich zurechtgesetzt in der Mulde, wie ein König auf dem Thron. Ist gar nichts, schau! Ganz laut hat er gelacht. Aber dann ist er gleich nach vorn gerutscht, um runterzuspringen, so eilig hat er es gehabt, daß er sich die Hose aufgerissen hat. Warum bist denn nicht länger sitzengeblieben, so kann man ja gar nichts sagen. Na kletter du rauf, wirst sehen, es ist irgendwie gar nichts, und Bruno ist raufgeklettert, war da was oder war da nichts? Sein Herz hat ganz stark geklopft, das war schon seltsam, und sein Gesicht wurde ganz heiß, aber er wollte ganz lang sitzenbleiben, zeigen wollte er es dem Schalko. Na siehst du, hatte er sagen wollen und lachen, aber er hatte sich nur geräuspert, und den Stein gespürt unter dem Hosenboden, und ganz mulmig ist ihm geworden. Vielleicht hätte er es noch länger aushalten können, aber er ist doch auch gleich wieder runtergesprungen, und dann haben sich der Schalko und er ganz beklommen angesehen. Das hat ja bei dir ausgeschaut, als wär das ein Schleudersitz, hat der Schalko gesagt. Aber bei dir erst, dich hat es noch viel schneller runtergeschleudert, drum hast dir auch die Hose zerrissen. Irgendwie stimmte also die Geschichte.
    Er hörte von draußen die Stimmen seiner Eltern. Sie stritten. Er hielt den Atem an und horchte. Er konnte nichts verstehen, nur, daß sie stritten. Ihre aufgebrachten, gereizten Stimmen, gedämpft durch die geschlossene Zimmertür. Er zog sich die Decke bis über die Ohren. Er verkrallte sich in seine Decke. Die Dunkelheit in seinem Zimmer bestand aus abgestuft grauen und schwarzen Flächen. Wenn er ganz konzentriert schaute, wurden die Konturen eines Schattens schärfer, dessen Fläche aber etwas kleiner. Wenn sein Blick weiterwanderte, dann sah er in

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