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Schubumkehr

Schubumkehr

Titel: Schubumkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Menasse
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gestikulierte. Einer der Männer sprach mit ihr. Sie lehnte sich an den großen Findling und sah den Männern kopfschüttelnd bei der Arbeit zu. Da kam ein großer Kranwagen. Die alte Frau wurde von dem Findling weggewunken. Der Stein wurde hochgehievt, verladen und weggebracht. Eine Planierraupe kam und ebnete den aufgewühlten Uferstreifen. Die Stille an diesem Ort existierte nur noch als angehaltener Atem in einem fortgesetzten Dröhnen. Es war absolut windstill. Die Birken, die sich im Wind bewegt hatten, waren spurlos verschwunden.
    Jeden Tag ging Roman zu dem Hochsitz und betrachtete dieses Loch im Nichts, diese aufgerissene Lücke im Niemandsland. Wie konnte das kommen? Und was wird jetzt geschehen? Bald kamen wieder Männer mit Lastwägen. Sie brachten junge Birken und Silbertannen, die sie auf dem planierten Streifen einsetzten. Auch der große Stein wurde wieder gebracht, am Ufer abgeladen, dazu noch zwei weitere, die vorher nicht dagewesen waren. Die Plazierung der drei Findlinge und die Anordnung der neugesetzten Bäumchen folgte irgendeiner Gesetzmäßigkeit, schwer zu sagen welcher, aber man sah: dahinter steckte bewußter Gestaltungswille. Die Findlinge wirkten wie aus Papiermache. Sie glänzten so eigentümlich, dann erkannte Roman, warum: das Moos an den Steinen war entfernt, die Steine waren geputzt worden. Bänke, Kinderschaukeln, eine Rutsche wurden geliefert und aufgestellt, sie alle mit der Aufschrift GEWIDMET VON DER RAIFFEISENBANK KOMPRECHTS. War nun wieder Ruhe? Hier wird nie wieder Ruhe sein. Wenige Tage später ging es erneut los mit Zimmern, Hämmern, Dröhnen. Eine Holzkonstruktion wurde errichtet, seeseitig an der Straße entlang, was wird das? Ein langgezogener Holzbau, der rasch Gestalt annahm, schließlich grün und braun gestrichen und dann auch beschriftet wurde. Imbisse. Toiletten. Umkleidekabinen. Duschen. Wie auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Parkplatz asphaltiert wurde, beobachtete Roman nicht mehr.
    Das Seeufer neu zu gestalten war eine gute Entscheidung, sagte Herr Tobisch. Sieht jetzt gepflegter aus, und doch naturbelassen. Die Menschen wollen Natur, aber sie wollen keine Wildnis. Sie wollen Abgeschiedenheit, aber sie wollen doch auch Annehmlichkeiten wie Imbisse, saubere Toiletten und Duschen. Sie wollen, wenn ich so sagen darf, einen gestrafften Busen der Natur. Darum haben wir dieses Bild auch im Prospekt auf eine Doppelseite aufgeblasen. Und das Idyllische dieses Fotos wird noch verstärkt durch den Hochsitz da im Hintergrund. Das würde ich Ihnen überhaupt empfehlen: da und dort noch solche Hochsitze aufzustellen. Denn der Tourist weiß, wo ein Hochsitz ist, da kann man jederzeit mit Tieren rechnen. Er sieht diesen Hochsitz auf dem Foto und stellt sich vor: ein Rudel Rehe bricht aus dem Wald und beginnt auf dieser Wiese zu äsen. Ich glaube, Sie verstehen jetzt das Gestaltungskonzept dieses Prospekts. Die Unique Selling Proposition, wie wir sagen, von Komprechts ist nicht der Ort selbst, sondern das, was ihn umgibt: Der Waldgürtel und der See. Natur, Natur, Natur. Sie werden sehen, das Konzept wirkt. Bald werden die Touristen in Rudeln kommen. Sie haben gesagt, das wirkt wie eine Welt ohne Menschen. Richtig. Der potentielle Urlauber soll sich denken: Der Mensch hier ist er selbst. Hier ist er Mensch, hier will er sein. Gut. Ich darf Sie nun mit den weiteren Bestandteilen der Kampagne bekanntmachen. Präsentation bei Fachmessen, Direct-Mailing, der Wettbewerb zur Wahl des europäischen Umweltdorfs des Jahres. Zunächst
    Noch eine letzte Frage zu diesem Prospekt. Dieses graue Papier und die Schwarz-Weiß-Fotos mit diesem Grün-Stich
    Ja, wir haben uns in Hinblick auf die Zielgruppe ganz bewußt für einen ästhetisch kühnen Auftritt entschieden: also Umweltschutzpapier, nur Grün als Schmuck-Farbe und die Fotos im Duo-Ton
    Ja aber, das ist doch nur ein Entwurf, das wollen Sie doch nicht so lassen? Ich meine, das schaut irgendwie billig aus, primitiv, auf Hochglanzpapier mit Vierfarbdruck hätte das doch ein ganz anderes Gesicht.
    Hochglanzpapier? Herr Bürgermeister, ich glaube, wir sollten vielleicht noch einmal über die Zielgruppe reden.
2.
    Die Geschichte vom Teufelstein stimmte. Bruno hatte es erlebt. Da war etwas. Es war unheimlich. Der Schalko, der Sohn des Buchhändlers in Peugen, sein Sitznachbar in der Schule, war Zeuge. Es war eindeutig. Sie hatten in der Schule davon gelernt, Heimatkunde, unsere Naturdenkmäler. Der Affenstein, der

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