Schütze meine Seele: Soul Screamers 4 (German Edition)
hatten. Mit welchen Befürchtungen ich innerlich kämpfte, dass es stimmen könnte, was sie sagte.
„Die Nummer zieht nicht. Du kannst mir keine Angst machen.“ Über ihre Schulter hinweg konnte ich durch die offene Tür ins Klassenzimmer sehen, in dem ich Algebra hatte, und die Vertretung, die danebenstand und auf die Nachzügler wartete.
Sabine quittierte meine Antwort mit einem erneuten Lachen und strich lässig ihr dunkles Haar zurück, das ihr dabei in die Stirn fiel. „Und ob ich das kann. Aber ich glaube, die Mühe brauche ich mir gar nicht zu machen. Das meiste wird dein gesunder Menschenverstand schon für mich erledigen, denn dir liegt was an Nash, und wenn du mal genug an Courage zusammenkratzt, um ehrlich zu dir selbst zu sein, sagt der dir, dass du nicht die bist, die Nash braucht.“
Ich biss die Zähne zusammen, dann entspannte ich mit einer gehörigen Portion Willenskraft den Kiefer wieder. Wenn ich fragte, würde ich mich dadurch erst recht auf ihr gemeines Psychospielchen einlassen, aber ich konnte nicht anders. „Und du verrätst mir sicher gleich, was er deiner Meinung nach braucht?“
Sie zuckte mit den Achseln. „Jemanden, der ihn nimmt, wie er ist. Mit allen Schwächen und Fehlern. Und das wirst du nie im Leben sein. Du bist nicht bereit, ihn wirklich zurückzunehmen, aber loslassen willst du ihn auch nicht. Du fürchtest dich davor, mit ihm zusammen zu sein, und genauso davor, ohne ihn zu sein. Deine Ängste fressen dich innerlich auf, und was du mit Nash auch immer hattest, geht dabei nach und nach den Bach runter.“
„Das hast du alles in meinem Traum gesehen?“
„Ich sehe es in deinen Augen. Na gut, okay, einem kurzen Blick in deine tief verwurzelten Ängste konnte ich auch nicht widerstehen. Ich meine, so dicht, wie die bei dir unter der Oberfläche rumschwirren. Du machst es einem ziemlich leicht.“
„Du kennst mich nicht mal und wühlst einfach in …“
Sabines Lachen hallte erneut durch den Flur, und ich fing an, eine richtige Aversion gegen dieses Geräusch zu entwickeln. „Ich kenne dich besser als du dich selbst. Denn ich habe den Röntgenblick für Dinge, die du dir nicht eingestehen willst, furchtbare Geheimnisse, die du gar nicht erst in dein Bewusstsein dringen lässt, weil sie zu sehr wehtun. Und auch, wenn ich diese Fähigkeit nicht hätte, Leuten von deiner Sorte bin ich oft genug begegnet.“
Ich funkelte sie giftig an, die Augen zusammengekniffen, bis alles andere aus meinem Sichtfeld verschwunden war. „Ich gehöre zu keiner Sorte .“ Weswegen redete ich überhaupt noch mit ihr? Ich hätte sie einfach stehen lassen sollen, aber irgendetwas hielt mich davon ab. Das Etwas, das Nash in ihr sah und offenbar anziehend fand. Sogar einmal geliebt hatte. Und ich musste wissen, was es war.
„Doch, definitiv. Du bist eine von diesen selbstgefälligen Schnepfen, die so tun, als hätten sie noch nie im Leben Mist gebaut, und sich deshalb das Recht rausnehmen könnten, jeden zu verurteilen, der nicht so unfehlbar ist wie sie. Du tust alles, was man eben tun muss, um dazuzugehören. Aber es reicht nicht, damit dich die Leute wirklich wahrnehmen, denn vielleicht auf Ablehnung zu stoßen ist der absolute Horror für dich. Und außerdem bildest du dir ein, sowieso über dem ganzen kindischen Highschool-Trallala zu stehen. Und um ehrlich zu sein, Letzteres haben du und ich gemeinsam.“
Ich blickte mich verstohlen um, ob womöglich jemand in der Nähe war, der uns hätte hören können, und war erleichtertfestzustellen, dass wir mittlerweile fast allein im Flur standen.
„Noch mehr? Gerne. Du bist eindeutig noch Jungfrau“, fuhr Sabine fort, während ich sie nur fassungslos anstarren konnte und es nicht fertigbrachte, dieses Gespräch endlich abzubrechen, weil ein Teil von mir es bis zum Ende durchhalten wollte, durchhalten musste. Ich musste erfahren, was sie von mir dachte. Wie sie wahrscheinlich mit Nash über mich redete. „Und du glaubst, das macht dich besonders und anständig, aber in Wahrheit wirkst du dadurch nur prüde und unsicher. Du würdest nie zugeben, dass du insgeheim sehr wohl an Sex denkst. Und zwar oft. Aber du setzt deine Gedanken nie in die Tat um, denn du meinst, deine Jungfräulichkeit ist so was wie ein wertvolles, in Seidenpapier gewickeltes Geschenk, das nur dem perfekten Märchenprinzen eines Tages zuteilwird, der sich natürlich wahnsinnig geehrt fühlt, dein Auserwählter sein zu dürfen.“ Sie schüttelte mitleidig den Kopf.
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