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Schützenkönig

Schützenkönig

Titel: Schützenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Jäger
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hatte, passten in die Waffen, die Elisabeth Upphoff auf die Männer gerichtet hatte. Und auch wenn er in Mathe und Englisch nicht besonders gut, sondern eher befriedigend minus stand: Ihm war in diesem Moment sonnenklar, dass das sehr wichtig war.
    Vorsichtig packte er die Kugeln in die Filmdose und steckte sie in sein Umhängeportemonnaie. Daneben lag der Zettel mit seiner Zeugenaussage. Mit Bleistift hatte er noch ein PS angefügt. »Ich, Tim Möcke, gebe hiermit zu Protokoll, dass ich am Tag nach der seltsamen Nacht Munition gefunden habe, die in die Jagdwaffen gepasst hat. Ich glaube, der Mann, der so lange bei der bewusstlosen Frau Upphoff gehockt hat, wollte sie wegwerfen, doch ein paar fielen neben den Gullydeckel.«
    Tim stieg auf sein Fahrrad und fuhr los. Er wusste, dass er den seltsamen Typen mit dem gelben Auto und den langen Haaren auf dem Schützenplatz treffen würde. Er hatte ihn öfter zusammen mit der schwarzhaarigen Frau gesehen. Der Mann hatte einen Fotoapparat, und die Frau schrieb immer alles Mögliche auf. Er hatte sie über die Nacht reden hören und die Worte »Amokfrau« und »Blutbad« gehört. Er war sich sicher, dass sich die beiden für seine Informationen interessieren würden. Und er hatte mal gehört, dass Leute, die für eine Zeitung arbeiten, ihn nicht an die Polizei verraten würden. Tim Möcke wollte nicht, dass eine Mörderin frei herumlief, die nur durch Zufall niemanden erschossen hatte. Aber er wollte ebenso wenig, dass seine Eltern ihm Fernsehverbot erteilten, weil er nachts aus seinem Zimmer geschlichen war, um die seltsame Schützenversammlung gegenüber zu beobachten.
    »So, schöne Stadtfrau. Jetzt gibt’s Bier.«
    Viktoria zuckte zusammen. »Mann, du hast mich erschreckt!«
    Kai lachte und reichte ihr das Glas.
    Sie nahm es zögernd. Das Bier lag kühl in ihrer Hand.
    Er stieß mit seinem Glas an ihres, es klirrte, und er fragte fröhlich: »Auf was wollen wir trinken?« Kai klang nett, vollkommen harmlos. Was für ein Teufel!
    Viktoria spielte mit. Sie sagte nicht: »Wir trinken auf einen miesen Typen, der mich gestern Nacht packen wollte, der aus irgendwelchen Gründen durch die Gegend geschlichen ist und mich belügt. Der den großen Tröster spielt, mich betrunken macht und dann so küsst, wie man nur küssen darf, wenn es einem ernst ist. Wir trinken auf einen Dreckskerl! Auf einen miesen Dreckskerl. Auf Kai Westmark, den größten aller Dreckskerle, der nur durch den Dreck unter seinen Schuhen verraten wurde.« Nein, Viktoria lächelte geheimnisvoll und schwieg.
    »Prost!«, sagte Kai. Da segelte der Holzrumpf nach unten. Viktoria sah nur den Schatten herabfallen, drückte Kai das Glas in die Hand und rannte los. Wer hatte dem Vogel den Gnadenschuss gegeben? Hat Ferdinand ihn runtergeholt? Sie war schließlich Profi. Sie durfte nicht verpassen, wenn der König auf die Schultern seiner Kameraden gehoben wird. Mario durfte es nicht verpassen. Sie sah einen Pulk Männer, einige lachten, alle klatschten, grölten. Sie sah Ferdinand Upphoff am Rand stehen, ein wenig abseits. Er war es also nicht. Mario, verdammt noch mal, wo steckte er? Das Foto, das Schulterfoto! »MARIO!« Viktoria wurde nervös. Wenn sie dem Chef das Siegerfoto nicht liefern würden, wären sie geliefert. Nix mehr mit Victory, der Recherche-Königin vom Express . Sie rief lauter. »M-a-r-i-o!!!« In der Mitte des Schützenbrüder-Pulks wurde es eng, einige bückten sich, um mit einem lauten »Hoch soll er leben« den Schützenkönig auf ihren Schultern nach oben zu heben. Viktoria sah die grüne Jacke von hinten, die Gesäßtaschen der schwarzen Hose. »MARIO, wo steckst du?!!!« Dem Mann auf den Schultern fiel der Hut herunter, halblange Haare kamen zum Vorschein. Mein Gott, was für ein schönes Bild wäre das gewesen. »Mario, verdammt noch mal, wo bist du?!« Der Schützenkönig drehte sich um, sie sah das Siegerlachen, sie hörte die Stimme, sie kapierte es nicht.
    »Hey, Victory, ich hab ihn einfach abgeschossen.« Mario Siewers, Fotograf für den Berliner Express , ihr Teamkollege, der Desinfektionsfetischist, der arroganteste Barchetta-Fahrer unter der Sonne – er war Schützenkönig von Westbevern.
    Sie trugen Mario über den Schützenplatz Richtung Bierwagen, und Rosa strahlte hinter ihrem Zapfhahn. »Ein Bierchen für den König!«, sagte sie und reichte dem Fotografen das Glas.
    Viktoria sah fassungslos zu. Dann endlich setzten ihn die zwei stämmigen Burschen, die als Träger fungiert

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