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Schuld währt ewig

Schuld währt ewig

Titel: Schuld währt ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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stand. Dabei fiel ihr Blick auf eine Zeitung von letzter Woche. Mord! Architekt starb nicht durch Unfall.
    Derartige Artikel las sie nie. Schon die Überschriften wirkten abschreckend.
    Jens ist tot. Ein schrecklicher Unfall. Das hatte Thorsten gesagt. Bezog der Artikel sich etwa auf diesen Unfall? Sanne zog die Zeitung hervor und las.
    Ein Unbekannter hatte dem erfolgreichen Architekten Jens Flade vor seinem Büro aufgelauert und ihn überfahren. Vom Täter fehlte jede Spur.
    Bisher hatte sie geglaubt, das Fahrzeug von Jens wäre mit einem anderen kollidiert und er wäre dabei tödlich verletzt worden. So, wie man sich ganz automatisch einen Verkehrsunfall vorstellte. Zu hohe Geschwindigkeit, jemand verlor die Kontrolle. Ein Crash. Doch Jens war überfahren worden. Absichtlich.
    Weshalb hatte Thorsten ihr nichts von dem Mord gesagt und den Eindruck erweckt, es wäre ein Unfall gewesen?
    Vielleicht wollte er sie schonen. Doch dann wäre es besser gewesen, den Todesfall überhaupt nicht zu erwähnen. Schließlich kannte sie Jens Flade eigentlich nicht und hatte ihn vor Jahren zuletzt gesehen. Vermutlich hätte sie nie von seinem Tod erfahren. Eine seltsame Unruhe ergriff sie und ließ sie auch nicht los, als sie eine halbe Stunde später im Bett lag. Irgendetwas war gewesen. Eine Erinnerung wollte an die Oberfläche. Langsam stieg sie in ihr auf, wurde zu einem klaren Bild. Zu einem Bild, das sie frösteln ließ.

22
    Nach dem Morgenmeeting fuhr Dühnfort nach Olching. Der Tag war ebenso grau wie der vorangegangene. In den Regen mischte sich Schnee. Ein Grad weniger, und die Straßen würden sich in Rutschbahnen verwandeln.
    Auf sein Klingeln hin öffnete ein bulliger Mann mit kurzem Hals und rundem Gesicht die Tür. Eine randlose Brille, dunkle Augen. Die beiden obersten Knöpfe des gestreiften Hemds waren geöffnet. Ein angespannter Zug lag auf dem Gesicht.
    »Dühnfort, Kripo München. Herr Oberdieck?«
    Der Mann trat zur Seite. »Wir haben schon auf Sie gewartet. Kommen Sie rein.«
    Martinas Vater ging voran ins Wohnzimmer, einen elegant eingerichteten Raum. Helle Farben, dunkler Holzboden, eine Panoramascheibe, hinter der der Garten im Regen verschwamm. In der unruhigen Oberfläche des Badeteichs spiegelten sich die Wolken.
    Vor diesem Fenster stand Sabine Oberdieck und starrte hinaus in all das Grau. Als sie die Schritte hinter sich hörte, wandte sie sich um.
    »Herr Dühnfort.« Mit den Händen umfasste sie ihre Oberarme. »Ich wünsche Ihnen keinen guten Tag, denn es ist kein guter Tag.« Sie zog ein Taschentuch aus dem Ärmel ihrer Strickjacke hervor und wischte sich die Tränen von den Wangen.
    Martinas Mutter war eine Frau von elfenhafter Schönheit und Zartheit. Gestern war Dühnfort nicht im Stande gewesen, ihr Alter zu schätzen. Heute erkannte er, dass sie die fünfzig längst überschritten hatte. Über das blasse Gesicht zog sich ein Geflecht feiner Falten. Um die Mundwinkel waren sie tiefer eingegraben. Die Augen waren gerötet und geschwollen. »Setzen wir uns doch.« Sie wies auf zwei Sofas. Dühnfort nahm auf dem einen Platz, Martinas Eltern auf dem anderen. Oberdieck legte einen Arm um die Schultern seiner Frau. Sie griff nach seiner Hand.
    Dühnfort suchte nach Worten des Trostes und fand sie nicht. Martinas Mörder zu finden und dafür zu sorgen, dass er eine angemessene Strafe erhielt, war alles, was er für sie tun konnte. »Wir suchen nach einem Anhaltspunkt, nach einem Motiv. Haben Sie eine …«
    Oberdieck drückte die Hand seiner Frau. »Möglicherweise. Es gibt etwas, das Sie wissen müssen, und dann werden Sie verstehen.
    Vor dreieinhalb Jahren hatte Tina einen Autounfall. Sie war gerade volljährig geworden und hatte den Führerschein gemacht. Zum Abi wollte ich ihr ein Auto schenken. Aber bis dahin war es ja noch eine Weile. In der Zwischenzeit durfte sie das Auto meiner Frau mitbenutzen, und einmal auch meines.« Er stockte, nahm die Brille ab und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Es ist am 13. Mai 2008 passiert. Tina wollte nach Maisach zu einem Fußballspiel fahren, bei dem ihr Freund Patrick mitspielte. Meine Frau war unterwegs, also habe ich Tina meinen Audi geliehen. Sie war schon an der Haustür, als ihre Freundin Steffi anrief und sich entschloss mitzukommen. Tina hat Steffi abgeholt, und dann ging es weiter nach Maisach. Kurz hinter Olching führt die Straße in einer langgezogenen Kurve über die Amper. Dort kam den Mädchen ein Sattelschlepper entgegen. Tina hat

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