Schuld währt ewig
Dühnfort mit seiner Introvertiertheit langsam auf die Nerven. Mit Boos konnte man sich austauschen und Hypothesen aufstellen. Mit Heinen gelang das nicht.
»Es wird ein paar Tage dauern, bis wir ein Profil erstellt haben«, sagte Heinen schließlich.
»Natürlich.« Dühnfort war das klar. »Es ist Zeit fürs Meeting. Kommen Sie mit?«
»Natürlich.« Heinen lächelte.
Eine halbe Stunde später versammelten sich die Mitglieder der Soko Rache im Besprechungsraum. Dühnfort stellte Heinen vor. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Weder Stahl noch Russo waren Fans der Profiler. Die haben noch keinen Fall gelöst, heimsen aber gerne die Lorbeeren ein. Heinen setzte sich in die erste Reihe und wischte nicht vorhandene Krümel von der Oberlippe.
Dühnfort begrüßte die Truppe und griff dann zum Filzstift, der quietschte, als er die Namen Flade, Oberdieck und Hasler aufs Flipchart schrieb.
»Wie findet unser Täter seine Opfer? Wenn wir das wissen, dann haben wir ihn.«
Unter die Namen schrieb Dühnfort Subvento, Schuldlos schuldig und ASB. »Jens Flade und Martina Oberdieck wurden von Subvento betreut und waren Mitglied in der Gruppe von Lydia van Gierten.« Mit Pfeilen verband er Opfernamen und Hilfsdienste. »Bei Frau Hasler war das Kriseninterventionsteam des ASB im Einsatz. Laut Aussagen von Thorsten Languth und Lydia van Gierten ist ihnen Frau Hasler unbekannt. Es gibt also keine Überschneidungen mit Subvento und der Selbsthilfegruppe. Angeblich. Hier werden wir nachhaken. Wer befragt Freunde und Verwandte, Nachbarn und Bekannte von Frau Hasler, ob sie den Verein nicht doch kannte?«
Nicolas Stahl meldete sich. »Das können wir übernehmen.«
»Gut. Außerdem sollten wir uns diese Selbsthilfegruppe jetzt ganz genau anschauen und auch die Patientendatei von Lydia van Gierten, ob der Name Hasler dort auftaucht. Moritz, kannst du das mit deinem Team übernehmen?«
»Kein Problem.«
»Dann kommen wir zur Postkarte. Flade hat keine erhalten, die beiden anderen Opfer schon. Meiner Meinung nach liegt das daran, dass diese erste Tat nicht oder nur rudimentär geplant war. Sie erfolgte mehr oder weniger spontan. Der Täter konnte seine Rache nicht richtig auskosten. Flade starb, ehe er wusste, wie ihm geschah. Deshalb die Postkarte bei Martina und Hasler. Damit kündigt er an, was geschehen wird …«
Heinen hob den Arm halb. »Wenn ich eine kurze Anmerkung machen darf. Das Verschicken einer Postkarte ist ziemlich altbacken. In den Zeiten von Internet und Telefon wären Drohanrufe oder Mails eher zu erwarten. Weshalb schickt er also Postkarten? Entweder hat er keinen PC …«
»Und vermutlich auch kein Telefon«, murmelte Russo halblaut.
Heinen ignorierte die Bemerkung. »Oder er hat eine generelle Abneigung gegen moderne Kommunikationsmittel. In diesem Fall müssten Sie nach einem Außenseiter suchen, einer Art Kauz.«
Dühnfort wandte sich an Heinen. »Über diese Postkarten haben wir uns natürlich auch Gedanken gemacht. Sie sind nachhaltiger. Eine Mail löscht man, und sie ist weg. Einen Anruf kann man verdrängen. Doch diese Postkarte liegt erst einmal da. Sie ist physisch vorhanden. Martina und Frau Hasler haben die Karten zwar weggeworfen, doch vermutlich erst, nachdem sie sich eingehender damit beschäftigt hatten, als sie das mit einem Anruf oder einer Mail getan hätten. Abgesehen davon hat Frau Hasler keinen PC . Und: Die Drohwirkung ist größer. Mit den Karten kündigt er nicht nur an, was passieren wird. Sie enthalten weitere Informationen. Martina hat er den Tatort gezeigt und Frau Hasler, wenn man so will, die Tatwaffe. Außerdem offenbart er sein Motiv. Gerechtigkeit. Doch beide haben die Warnung nicht ernst genommen und die Karten weggeworfen. Damit hat er sicher nicht gerechnet, aber er hat es auch nicht erfahren. Es sei denn, er bewegt sich im direkten persönlichen Umfeld seiner Opfer und konnte die Reaktion beobachten. Da ich mir nicht vorstellen kann, dass ihn alleine die Vorstellung befriedigt, seine Opfer in Angst zu versetzen, vermute ich, dass er beide auch angerufen und beobachtet hat. Er will ihre Angst sehen und spüren. Da die alte Dame weder PC noch Handy besaß, konnte er nur über Festnetz und Post Kontakt zu ihr aufnehmen.«
Als Heinen schwieg, wandte Dühnfort sich an Meo. »Liegen die Verbindungsdaten für Haslers Festnetzanschluss schon vor?«
»Sind angefordert, werden wir aber erst im Laufe des Nachmittags erhalten.«
»Wir sollten mit allen Anrufern sprechen.
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