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Schuld währt ewig

Schuld währt ewig

Titel: Schuld währt ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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Egal. Sie wollte Gewissheit. Im Schutz der Dunkelheit tastete sie sich bis zur hellerleuchteten Fensterfront vor, hinter der Domegalls Wohnzimmer lag.
    Er stand mit dem Rücken zu ihr, das Telefon in der Hand! Sanne drückte das Ohr an die Scheibe. Sprach oder schwieg er?
    Ein Schatten. Kläffendes Gebell. Hamlet sprang an der Scheibe hoch. Sanne schrak zurück. Blut rauschte in ihren Ohren, ihr Herz wollte bersten. Domegall fuhr herum. Ihre Blicke trafen sich.

53
    Dühnfort telefonierte erfolglos alle Kliniken Münchens nach Eugen Voigt durch. Anschließend bat er die Kollegen der Schutzpolizei, die Fahndung nach Voigts Opel zu intensivieren, und machte sich eine Viertelstunde, nachdem auch Alois gegangen war, auf den Heimweg.
    Die Läden schlossen bereits. Dühnfort nahm seine tägliche Route durch die Fußgängerzone Richtung Marienplatz und ließ sich mit dem Strom der Menschen weiter in die Sendlinger Straße treiben. Vorbei an Läden und Schaufenstern. Überall breiteten sich Weihnachtsdekorationen aus wie eine Krankheit. Echte und künstliche Tannen. Sterne, Schleifen, Kugeln, Pakete. Flitter und Kunstschnee. Weihnachtsmänner und Engel. Überall glitzerte und glänzte es. Alles war zu viel.
    Die Luft war kalt und feucht. Am Sendlinger-Tor-Platz roch es nach Glühwein und Abgasen. Weihnachtslieder, die aus dem Lautsprecher eines Verkaufsstandes für heiße Maroni dudelten, vermischten sich mit dem Brausen des Verkehrs. Stille Nacht. Fürwahr.
    Im Zwischengeschoss des U-Bahnhofs paarten sich Ausdünstungen verschiedenster Art. Bier und Brezen. Schweiß und Parfum. Feuchter Hund und Urin. Neonlicht flackerte. Plötzlich hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden, und sah sich um. Pendler, die nach Hause wollten, wurden von den Rolltreppen hinunter zu den Bahnsteigen befördert, Ankommende nach oben. Beim Bierausschank lehnten drei zerlumpte Gestalten am Tresen. Am Fahrkartenautomaten studierte eine Gruppe asiatischer Touristen das Tarifsystem. Ein sinnloses Unterfangen. Das verstand man frühestens nach fünf Jahren in dieser Stadt. Der Kiosk schloss. Ebenso der Blumenstand. Nichts. Da war niemand. Dühnfort verließ das Zwischengeschoss und fuhr mit der Rolltreppe auf der anderen Seite des Sendlinger-Tor-Platzes wieder an die Oberfläche.
    Er schlug den Weg zum Stephansplatz ein und entschied so, seinen Heimweg wie meistens mit dem kleinen Umweg über den Alten Südfriedhof zu beenden.
    Der Gemüseladen in der Thalkirchner Straße hatte noch geöffnet. Dort kaufte er, einem spontanen Entschluss folgend, zwei Portionen Feldsalat und ein Schälchen Datteltomaten. Er musste mehr für seine Gesundheit tun. Mehr Sport, weniger Wein. Mehr frisches Obst und Gemüse. Weniger Espresso und Schokolade.
    Das Eisentor am Friedhofseingang quietschte. Der Lärm der Stadt drang nur gedämpft herein. Ruhe umfing ihn. Etwas von der Anspannung des Tages fiel von ihm ab. Der Schein aus den Fenstern der angrenzenden Wohnhäuser und das Licht der Straßenlaternen jenseits der Mauern erhellten die Dunkelheit ein wenig. Nach einer Minute hatten seine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt. Der Kiesweg lag hell vor ihm. Dühnfort stattete dem Grab des Musikers einen kurzen Besuch ab, nickte der Frau zu, die dick vermummt auf dem Rad an ihm vorbeifuhr. Das Knirschen des Kieses unter den Reifen wurde leiser. Stille kehrte ein. Auf dem Weg hinter ihm wurde der gleichmäßige Schlag von Schritten lauter. Ein Jogger überholte ihn und entfernte sich rasch. Aus dem Gebüsch jenseits des Weges erklang ein Rascheln. Ein Schatten löste sich daraus. Dühnfort nahm die Bewegung aus dem Augenwinkel wahr, spürte Gefahr, doch noch ehe er reagieren konnte, legte sich ein klammernder Griff um Brustkorb und Oberarme.
    Helmbichler!
    Gleichzeitig ein metallisches Schnappen. Kalt spürte Dühnfort den Stahl an seiner Kehle. Sein Herz raste. Die Tüte mit dem Feldsalat fiel zu Boden.
    »So, Sauhund. Jetzt ist Zahltag! Jetzt wird abgerechnet!«
    Seine Waffe.
    Unerreichbar unter dem Mantel. Keine Bewegungsfreiheit, kein Spielraum, um sich zu verteidigen.
    Dann die Erkenntnis: Helmbichler würde ihm nicht die Kehle durchschneiden. Zu viel Blut, das ihn besudelte. Beweismaterial. Er würde ihm das Messer in die Brust rammen. Ins Herz. Sofortiger Tod. Keine Blutfontäne. Einen Augenblick dehnte sich dieser Gedanke.
    Unerbittlich presste Helmbichler Dühnforts Körper gegen seinen. Er stank nach Schweiß. Aus den Klamotten stieg ein saurer Geruch auf.
    Er

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