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Schuld währt ewig

Schuld währt ewig

Titel: Schuld währt ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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musste Zeit gewinnen.
    »Herr Helmbichler. Immer mit der Ruhe. Wir können über alles reden.«
    »Da gibt es nichts mehr zu reden. Ausg’redt ist. Scho lang!«

54
    Alois stand Tinos Wohnung gegenüber im Schatten eines mannshohen Grabsteins und fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Aber er hatte sich nun mal dazu entschlossen, also würde er das jetzt auch durchziehen.
    Oder nicht?
    Es war scheißkalt. Kälte kroch aus dem feuchten Gras und Moos nach oben, die Beine entlang. Die Handschuhe hatte er im Büro liegenlassen. Seine Hände wurden langsam klamm. Er schob sie in die Manteltaschen. Fünf Minuten noch, dann würde er gehen. Der Gedanke fühlte sich derart gut an, dass er eigentlich auch gleich gehen konnte. Tino auszuspionieren, sich im Schatten zu verstecken und zu lauern wie ein Verbrecher, das passte nicht zu ihm. Warum machte er es dann?
    Weil er wissen wollte, ob er richtiglag.
    Oben tat sich etwas. Das Licht in der Küche ging an. Gina trat ein und holte aus dem Kühlschrank eine Flasche Wasser, trank direkt daraus und ging ans Küchenfenster. Sie blickte hinunter auf den Friedhof. Unwillkürlich zog Alois sich tiefer in den Schatten zurück, obwohl er wusste, dass sie ihn nicht sehen konnte. Gina war also in Tinos Wohnung und bediente sich, als wäre sie dort zu Hause. Er konnte gehen. Alles war klar. Er lag richtig. Yes!
    Das Handy begann zu vibrieren. Mist. Es steckte noch in der Halterung am Gürtel. Alois knöpfte den Mantel auf. Evi. Ne, auf die hatte er jetzt keine Lust. Er drückte das Gespräch weg und schob das Handy zurück.
    Wieder blickte er nach oben. Gina verschwand vom Fenster. Und gut war es. Er wusste Bescheid und streckte den Rücken, als er Schritte hörte, die sich näherten. Ein Jogger. Er passierte Alois’ Versteck und bog auf den Weg ein, der zum Ausgang in der Pestalozzistraße führte. Kaum aufgetaucht, war er auch schon außer Sichtweite.
    Zeit, diesen ungastlichen Ort zu verlassen. Alois machte einen Schritt Richtung Weg. Weiter hinten rührte sich etwas.
    Sein Boss!
    Fuck!
    Aus der Dunkelheit schnellte ein Schatten, stürzte sich auf Tino. Wortfetzen. Sauhund … Zahltag.
    Ein Adrenalinstoß. Ein tausendmal geübter Griff. Die Heckler & Koch glitt aus dem Holster in Alois’ Hand. Das Entsichern geschah automatisch.
    Ein metallisches Schnappen. Ausg’redt is. Helmbichler! Von Tino verdeckt. Ein ausholender Arm. Ein Messer. Fünf Meter. Mieses Licht.
    Die Klinge schoss auf Tino zu.
    Right between the eyes. Schaffe ich das?
    Ja!
    Alois zog den Abzug durch.

55
    »Du Idiot! Du hirnrissiger Wahnsinniger! Wie kannst du nur so blöd sein!« Gina schob ihre Arme unter seinen Achseln hindurch und klammerte sich an ihn. Wo kam sie so plötzlich her? Seit dem Schuss schien noch keine Sekunde vergangen zu sein. »Ich habe dich doch gewarnt, dass der das ernst meint. Du damischer Depp.« Sie hatte offenbar einen Schock, während er sich ganz ruhig fühlte. Seltsam ruhig und gelassen. Völlig unwirklich.
    Alois stand zwei Meter entfernt und telefonierte. Er forderte die Kollegen an und informierte die Staatsanwaltschaft. Im Halbdunkel vor ihm, auf dem Kiesweg, lag Helmbichler ausgestreckt auf dem Rücken und starrte mit leerem Blick auf einen Marmorengel, der seit mehr als einem Jahrhundert steinerne Tränen am Grab eines viel zu früh verstorbenen Kindes vergoss. Kopfschuss. Tot. »Es ist ja nichts passiert.« Das Butterflymesser lag einen Meter entfernt auf einer bröckelnden Grabplatte.
    »Nichts passiert? Geht es noch? Wenn Alois nicht so schnell gewesen wäre, würdest du jetzt da liegen.« Ein Zittern durchlief sie. »Und wenn er nicht ein so verdammt guter Schütze wäre, dann auch.«
    »Es ist, wie es ist: Mir ist nichts passiert.« Mit einer Hand fasste er in ihr Haar, mit der anderen zog er sie näher an sich heran. Sie roch so gut. Er sog diesen Duft ein. Äpfel. Zimt. Karamell. Es war nichts passiert. Ihm ging es gut. Sie küssten sich. Es war völlig egal, ob Alois das sah.
    Gina machte sich los. »Aber wenn es anders wäre, dann wäre es anders.« In ihren Schokoladenaugen spiegelten sich Angst, Entsetzen, Zorn. Noch immer hielt sie ihn fest, als wollte sie ihn nie wieder loslassen.
    In wenigen Minuten würde hier die übliche Routine einer Todesermittlung beginnen. Staatsanwalt. KTU . Kollegen einer MK . Vermutlich die von Mertens. Absperrung. Spurensicherung. Zeugenbefragung. Einleitung einer Vorermittlung wegen Totschlags. Er musste eine Aussage machen. Alois

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