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Schuld war nur die Badewanne

Schuld war nur die Badewanne

Titel: Schuld war nur die Badewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Potsdam. Victor hat mir fest versprochen, dass er ausnahmsweise mal nicht arbeitet, sondern sich als Fremdenführer betätigt. In Potsdam kennt er sich wirklich aus. Keine Ahnung, woher, vielleicht ist er im früheren Leben Zweiter Stadtkämmerer beim ollen Fritz gewesen. Wäre naheliegend, denn der soll ja auch ziemlich geizig gewesen sein.«
    Von der Aussicht, Potsdam einschließlich Sanssouci besichtigen zu müssen, schien Nicki weniger begeistert, doch »die Villa« hatte sie schon immer mal sehen wollen.
    Bewaffnet mit einem Kuchenpaket zogen wir am nächsten Vormittag nach Nikolassee. »Das wird unser Mittagessen«, hatte Dagi gesagt, »wenn man von Victor was will, muss man ihn mit Torte füttern, egal zu welcher Tageszeit. Zum Abendessen lassen wir uns von ihm einladen. Ich muss ihn vorher bloß davon überzeugen, dass das seine Idee gewesen ist.«
    Je weiter wir in das Viertel rechts von der Potsdamer Straße eindrangen, desto größer wurden die Grundstücke und desto undurchdringlicher die Hecken. Manchmal war von den Häusern gar nichts zu sehen. Jahrzehntealtes Kopfsteinpflaster zwingt die Autofahrer zum Schritttempo, nirgends ein Kinderspielplatz, der die beschauliche Ruhe stören würde … Die ganze Gegend strahlte gediegenen Wohlstand aus. Die Bewohner, so denn welche zu sehen waren, hatten größtenteils das Erwerbsleben hinter sich und genossen den Ruhestand. Die wenigsten von ihnen dürften Rentner sein, bei den meisten heißt das Altersgeld Pension, und genau darin liegt der kleine Unterschied. Man merkt es auch an den Hunden. Normale Rentner haben Dackel, Pudel oder was Kleineres aus dem Straßenadel, die brauchen alle nicht so viel Futter, aber in den wohlhabenderen Kreisen fängt der Hund erst beim Retriever an und gipfelt in Dogge oder Dobermann. Auf der Rehwiese, der standesgemäßen Pipipromenade, sieht man sie Gassi schreiten. Manche haben schon den hochnäsigen Blick ihres Rudelführers angenommen. Zwischendrin gibt es natürlich auch mal diese kleinen Staubwedel mit rosa Schleifchen auf dem Kopf und funkelndem Strasshalsband, Giftspritzen die meisten, die mit heiserem Kläffen ihren großen Artgenossen an die Beine gehen und sich vor lauter Schreck überkugeln, wenn die zurückbellen.
    Plötzlich zwischen all diesen schmiedeeisernen oder frisch gestrichenen hölzernen Einfriedungen ein ehemals weißer Lattenzaun, dem schon etliche Teile fehlten. Er sah aus wie ein schadhaftes Gebiss. Die Büsche dahinter hätten dringend einen Fassonschnitt nötig gehabt, genau wie der Rasen, und wann die breite Zufahrt zu der Doppelgarage zum letzten Mal geharkt worden war, ließ sich unmöglich feststellen.
    Mit einem kräftigen Fußtritt gegen die Tür verschaffte Dagi uns Eintritt. Noch ein paar Schritte, und dann stand sie in voller Hässlichkeit vor uns – die Villa. Ehemals vermutlich beige, hatte sie jetzt eine Farbe angenommen, die an drei Tage alten Milchkaffee erinnerte. An manchen Stellen blätterte der Putz ab, ein Rollladen hing schief vor einem verstaubten Fenster, ein anderer ließ sich anscheinend gar nicht mehr hochziehen. Ich kannte dieses Gemäuer ja schon, doch Nicki stand bloß davor und staunte. Schließlich platzte sie heraus: »Gehört das hier schon zu Ostberlin?«
    »Da sehen die Häuser zum Teil viel besser aus«, sagte Dagi nur. »Geht schon mal hintenrum auf die Terrasse, ich suche Victor.«
    Die Rückseite des Hauses wirkte genauso heruntergekommen wie die Frontpartie. Auf der Terrasse, kaum noch als solche zu erkennen, wuchs Gras aus den Fugen, und lediglich die großen, mit leuchtend roten Geranien bepflanzten Steinkübel brachten ein bisschen Farbe ins Spiel.
    »Macht mal die Tür rechts neben der Garage auf!«, rief eine Stimme von irgendwoher. »Da sind die ganzen Gartenmöbel drin. Fangt schon an, ich komme gleich!«
    »His master’s voice!«, sagte Nicki grinsend. »Na, dann wollen wir ihr mal gehorchen.«
    Ganz so alt wie das Haus war das Mobiliar noch nicht, sehr viel jünger aber auch nicht, und vor allem einige Stühle sahen aus, als hätten sie früher mal in einem Biergarten gestanden. Nur die zwei Liegen waren neu und passten nicht ins Bild.
    Victor erschien mit einem Eimerchen voll Wasser, begrüßte uns herzlich und forderte Nicki auf, doch mal eben über den Tisch zu wischen. »Dagmar sucht schon eine Decke, und das Geschirr bringe ich auch gleich.«
    »Glaubst du, ich kann mir das Haus nachher mal von innen ansehen?« Viel sauberer wurde der Tisch

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