Schuld war nur die Badewanne
nicht, obwohl Nicki sich alle Mühe gab.
»Victor wird dich nur zu gerne herumführen und dir ganz genau erklären, wie alles aussehen wird, wenn es erst mal renoviert worden ist. Das hat er mir vor ungefähr fünf Jahren auch schon gezeigt.«
»Warum lässt er denn nicht endlich mal was machen? Ich denke, das Geld dafür hat er.«
»Natürlich hat er es! Er hat bloß keine Lust, es in diese Bruchbude zu stecken, wird es aber nie zugeben, denn wenn man mit dem Renovieren mal anfängt, gibt es vermutlich gar kein Ende. Also schiebt er Zeitmangel vor und wird bis an sein Lebensende in seinen drei Zimmern hausen in Gesellschaft von Mäusen, Maulwürfen, Heimchen und anderem Getier. – Kann mal einer die Tassen vom Tablett nehmen?« Gemeinsam deckten wir den Tisch, während Dagi weiter räsonierte. »Früher habe ich immer noch geglaubt, Victor würde mal heiraten und dann zwangsläufig das Haus in Ordnung bringen lassen, aber vermutlich ist jede Frau, die er hierher gebracht hat, schreiend wieder getürmt, nachdem sie das Mausoleum gesehen hat.«
»Mausoleum?«
»Na ja, sein Schlafzimmer! Dunkel – düster – Begräbnishalle!«
»Wieso hast du eigentlich keinen Einfluss auf ihn gehabt?« Ich suchte ein schattiges Plätzchen für die Schlagsahne, fand keins, stellte die Schüssel auf den Boden. »So ganz am Anfang, als die Liebe noch neu und das Haus nicht so alt waren.«
»Damals hat seine Mutter auch noch hier gelebt, besser gesagt, residiert, da hätte nicht ein einziger Stuhl entfernt werden dürfen. Später, als er gedurft hätte, hatte sich Victor an das verstaubte Interieur so gewöhnt, dass er gar kein anderes mehr wollte. Und jetzt wäre für neues sowieso kein Platz mehr!« Sie blickte in unsere ungläubigen Gesichter und fing an zu lachen. »Ich zeig’s euch nachher! In Afrika breitet sich bloß die Sahara immer weiter aus, hier auf dem Grundstück sind es Akten und Werkzeug. Als der Schuppen hinter der Garage voll war, wurden die Sachen auf dem Dachboden gestapelt, und von dort griffen sie ganz allmählich auf den ersten Stock über. Es kann sich nur noch um ein paar Jahre handeln, dann ist das Treppenhaus befallen, und sowohl Ordner als auch Schläuche, Kabel und verrostetes Altmetall werden auf das Erdgeschoss übergreifen.«
»Aber wozu, um Gottes willen, hebt er denn das alles auf?«
»Ich glaube, das weiß er selber nicht – leg mal bitte den Löffel in die Sahne! Den Papierkram muss er angeblich durchsortieren, er hat bloß keine Zeit dazu, und Werkzeug schmeißt man grundsätzlich nicht weg, solange es nicht in seine einzelnen Bestandteile zerfallen ist. Das meiste kann man nämlich noch reparieren, man muss bloß erst jemanden suchen, der das macht. Und bis man den gefunden hat, was nie der Fall sein wird, weil sich keiner darum kümmert, bleibt alles dort liegen, wo es liegt. – Victooor! Wenn du nicht gleich kommst, wird der Kaffee kalt und die Sahne sauer!«
Die spätere Hausbegehung übernahm Dagmar. Mit Nicki im Schlepptau verschwand sie hinter einer Kellertür, und dann hörten wir lediglich mal einen Fensterrahmen quietschen oder gedämpftes Stimmengemurmel.
Nur einmal erklang lautes Lachen. »Stimmt das wirklich?«, fragte Nicki.
»Wenn du es nicht glaubst, kannst du es gerne ausprobieren!«, antwortete Dagi. Dann ging das Gekicher weiter.
Etwas verstaubt und mit Spinnweben im Haar fanden sie sich nach geraumer Zeit wieder ein. »Habt ihr irgendwo einen Schatz gefunden, von dem ich nichts weiß, oder weshalb habt ihr vorhin so gegackert?«
»Ich habe Nicole bloß dein Bad gezeigt«, erklärte Dagi.
»Ich denke, er hat gar keins«, fiel mir ein, »du hast mir mal gesagt, er muss zum Duschen immer in den Keller.«
»Stimmt ja auch, aber ein Bad gibt es trotzdem, sogar mit warmem Wasser. Es geht nur kein Kaltwasserrohr durch. Wenn die Wanne vollgelaufen ist, kommst du dir vor wie im türkischen Dampfbad. Sehen kann man nichts, baden kann man aber auch nicht, weil man erst warten muss, bis das Wasser abgekühlt ist.«
»Ist ja Quatsch«, sagte Victor gleichmütig, »ich habe dir neulich erst angeboten, den Gartenschlauch durchs Fenster zu ziehen, dann hast du kaltes Wasser!«
»Weißt du jetzt, was ich meine?«, war alles, was Dagi dazu einfiel.
Zwei Stunden trabten wir nun schon durch den Garten von Sanssouci, hatten die fetten Goldfische im Brunnen vor der großen Freitreppe bestaunt, hatten versucht, einen Blick ins Innere des mit Plastikplanen verhängten
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