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Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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hier. Wenn ein Kind stirbt, kann es passieren, dass deine Schwester oder Tante dir ihres gibt. Ich wurde nach Canes Tod geboren, und meine Mom hat mich zu Minnie geschickt, damit ich auch ihre Tochter werde.« Sie zuckte mit den Achseln. »Ich gebe das Baby hier der Kusine meiner leiblichen Mutter.«
    Â»Du willst es einfach so weggeben?«, fragte Laura verständnislos.
    Â»Nicht einfach so. Es wird so sein, dass es uns beide hat.«
    Â»Was ist mit dem Vater?«, fragte Laura. »Bist du noch mit ihm zusammen?«
    Â»Ich seh ihn einmal die Woche«, sagte Aurora.
    Laura blieb stehen. Sie sprach mit einem hochschwangeren Yupik-Mädchen, aber sie sah Trixies Gesicht, und sie hörte Trixies Stimme. Was, wenn Laura aufmerksamer gewesen wäre, als Trixie Jason kennenlernte, anstatt mit ihrer eigenen Affäre beschäftigt zu sein? Hätte Trixie dann überhaupt eine Beziehung mit ihm angefangen? Wäre sie nach der Trennung so völlig am Boden zerstört gewesen? Wäre sie am Abend der Party in Zephyrs Haus gewesen? Wäre sie vergewaltigt worden?
    Plötzlich hatte Laura den Gedanken, ein kleines Stück begangenes Unrecht an Aurora wiedergutmachen zu können. »Aurora«, sagte Laura. »Ich würde ihn gern kennenlernen. Deinen Freund.«
    Das Yupik-Mädchen strahlte. »Ehrlich? Jetzt gleich?«
    Â»Das wäre schön.«
    Aurora nahm ihre Hand und zog sie durch die Straßen von Akiak.
    Â»Gleich da vorn, hinter dem Hügel«, sagte Aurora nach einer Weile, aber als sie die Kuppe erreichten, waren keinerlei Häuser zu sehen. Laura folgte Aurora durch ein kleines Tor in einen umzäunten Bereich, bemüht, auf dem festgetretenen Weg zu bleiben. In der Dunkelheit brauchte sie einen Moment, bis sie begriff, dass sie einen kleinen Friedhof überquerten, auf dem die weißen Holzkreuze fast völlig im Schnee versunken waren.
    Vor einem freigeräumten Grab blieb Aurora stehen. Auf dem Holzkreuz stand ein Name mit Lebensdaten: ARTHUR M. PETERSON, 5. Juni 1982 – 30. März 2005. »Er war mit dem Hundeschlitten unterwegs, aber es war Ende März, und er ist ins Eis eingebrochen. Sein Leithund hat das Geschirr durchgebissen und ist zu unserem Haus gelaufen. Gleich als ich den Hund sah, wusste ich, dass etwas passiert sein musste, und als wir am Fluss ankamen, waren Art und der Schlitten schon untergegangen.« Sie sah Laura an. »Drei Tage später hab ich gemerkt, dass ich schwanger bin.«
    Â»Es tut mir so leid.«
    Â»Das muss es nicht«, sagte Aurora sachlich. »Wahrscheinlich war er betrunken, wie immer.« Während sie das sagte, bückte sie sich und wischte sachte die frische Schneeschicht von dem Kreuz.
    Laura wandte sich ab, um Aurora nicht zu stören. Dabei fiel ihr ein Grab auf, das anders als der Rest wirkte, eigenartiger, beeindruckend. Vor dem Grabkreuz war eine Sammlung von Elfenbein – Mammutstoßzähne oder Stücke davon, manche fast so groß wie das Kreuz selbst. Jeder Stoßzahn war kunstvoll mit Blumen beschnitzt: Rosen und Orchideen und Pfingstrosen, Lupinen und Vergißmeinnicht und Frauenschuh. Ein Garten, dem alle Farbe, aber nicht die Schönheit fehlte, mit Blumen, die niemals welken würden.
    Sie stellte sich den Künstler vor, der das alles geschaffen hatte, wie er durch Regen und Hagel und Eisstürme hierherkam, um diesen ewigen Garten zu pflanzen. Diese Art von Romantik und Leidenschaft verband sie mit Seth, der ihr Gedichte zwischen die übervollen Seiten ihres Terminkalenders und in das nüchterne Durcheinander ihres Portemonnaies geschoben hatte.
    Wehmütig gab Laura sich der Vorstellung hin, so sehr geliebt zu werden. Vor ihrem geistigen Auge sah sie ein Holzkreuz, auf dem ihr Name stand. Sie sah jemanden den Elementen trotzen, um Geschenke zu ihrem Grab zu bringen. Aber als sie sich den Mann vorstellte, der da weinte, weil er sie verloren hatte, war es nicht Seth.
    Es war Daniel.
    Laura wischte den Schnee von dem Kreuz, weil sie wissen wollte, wer da mit solcher Hingabe geliebt worden war.
    Â»Oh, das wollte ich Ihnen auch noch zeigen«, sagte Aurora genau in dem Moment, als Laura den Namen las: ANNETTE STONE. Daniels Mutter.

    Trixie machte blau. Sie wusste nicht mal, warum sie deswegen ein schlechtes Gewissen hatte, zumal sie ja eigentlich gar keine richtige Helferin war. Sie lief neben Willie durch die Dunkelheit, und ihr Atem hinterließ eine Spur

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