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Schuldlos ohne Schuld

Schuldlos ohne Schuld

Titel: Schuldlos ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell-Olof Bornemark
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konzentriert und fühlt sich stark. Die Angstgefühle sind jetzt fort. Er hat sich vorgenommen, ihnen zu beweisen, dass er ebensoviel wert ist wie irgendein anderer. Wenn sie ihn nicht respektieren wollen, wird er ihnen jedenfalls beibringen, ihn zu fürchten.
    Martin zieht sich an und wählt die weißen Sportschuhe. Es ist die Art von Schuhen, die Gangster und Autohändler zu tragen pflegen, auch wenn sie einen Anzug anhaben. Dann schleicht er die Treppe hinunter, als wollte er sicher sein, dass niemand bemerkt, wie er die Wohnung verlässt.
    Draußen begegnet ihm der Morgen mit seiner jungfräulichen Frische und Kühle, und er macht einige tiefe Atemzüge. So früh ist es schön, Mensch zu sein. Alle anderen schlafen oder sind verreist. Es gibt Lücken zwischen den geparkten Autos. Die Ferien haben begonnen.
    Nicht aus Feigheit, sondern aus Gründen der Sicherheit muss er sich ein gutes Stück von seiner Wohnung entfernen. Martin beschließt, durch Nebenstraßen zu gehen, wo er keinen einzigen Menschen trifft.
    Nach gut einer Viertelstunde hat er die Geschäftsstraße erreicht. Sie sieht verlassen aus, und zum ersten Mal entdeckt er, wie hässlich sie ist. Die Waren in den Schaufenstern wirken geschmacklos. Die ganze Straße gleicht einem Ramschladen. Es gibt nichts, womit er etwas anfangen könnte. Was er jetzt plant, richtet sich nicht gegen die Hässlichkeit.
    Er braucht ein Werkzeug und tadelt sich selbst, dass er sowenig vorausschauend ist. Ein Hammer wäre ausreichend gewesen. Die Straße und der Bürgersteig sind asphaltiert, und wie sehr er auch sucht, er kann keinen Stein in ausreichender Größe finden. Das irritiert ihn. Der Mangel an Hilfsmitteln darf ihn nicht hindern. Wenn er unverrichteter Dinge nach Hause ginge, würde er sich nie mehr erheben können.
    Da entdeckt er ein Stück weiter die Straße hinauf, dass das Straßenbauamt dabei ist, Parkuhren aufzustellen. Die Arbeit ist noch nicht beendet, entweder wegen des Wochenendes oder wegen der Ferien. Einige der Uhren sind nur provisorisch in den Boden versenkt. Er packt eine davon und prüft seine Muskelstärke. Er dreht und zerrt, und nach knapp einer Minute ist es ihm gelungen, die Parkuhr herauszureißen.
    Das nächste Geschäft ist ein Laden für Damenschuhe. Die Schuhe sind auf Regalen in fast kubistischer Ordnung aufgestellt. Es gibt sie in allen erdenklichen Farben und Größen, aber nie als ein Paar. Deshalb sehen sie entlaufen oder vergessen aus. Martin kann schwer einen Unterschied an ihnen oder den Grund erkennen, warum der eine Schuh mehr Geld wert sein soll als ein anderer. Eigentlich sind Damenschuhe hässliche Kleidungsstücke. Die hohen Absätze sehen verkrüppelt aus, als ob die Fersen amputiert wären. Aus den Texten im Schaufenster erfährt er, dass das Geschäft importierte italienische Modelle verkauft. Das ist ein ebenso guter Grund wie jeder andere auch.
    Also hebt Martin die herausgerissene Parkuhr mit beiden Armen hoch. Sie ist ziemlich schwer, und er muss sich anstrengen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Dann grunzt er auf, macht einen Satz und stößt die wuchtige Waffe mit aller Kraft gegen die Glasscheibe. Die Parkuhr fährt wie ein Verderben bringendes, lüsternes Projektil durch das Schaufenster des Schuhhändlers und verursacht ein vollständiges Chaos. Das zersplitterte Glas liegt in Scherben auf dem Trottoir und in dem Geschäft. Mit einem einzigen Schlag hat er die raffinierte Auslage ruiniert. Ein einzelner karierter Schuh aus Krokodilleder wippt kummervoll auf seinem Leisten und weigert sich aristokratisch, den Halt zu verlieren. Das ganze Fenster sieht jetzt aus wie eine unaufgeräumte Dachkammer.
    Der Krach muss weit im Umkreis gehört worden sein, und die Stille danach ist bedrängend. Sie erscheint Martin trügerisch. Er sieht sich neugierig um. Er ist weder erschreckt noch aufgeregt, sondern im Gegenteil sehr zufrieden mit dem, was er vollbracht hat. Ihm ist, als hätte er sich von einer Bürde befreit, die er allzu lange getragen hat. Endlich hat er es jemandem heimzahlen können.
    Natürlich will Martin nicht erwischt werden, aber die Stadt schlummert noch so ahnungslos und träumend wie vorher.
    Es ist, als ob nichts sie aufwecken könnte. Man hört keine aufgeregten Rufe, keine trampelnden Schritte von Ordnungshütern, keine heulenden Polizeisirenen in der Ferne. Aber auch dies ist nur zufällig, ein zeitlicher Spielraum. Martin weiß es. Bald wird der Schuhhändler hier auf den Trottoir stehen,

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