Schule der Magier - Astaroths Angriff - Neff, H: Schule der Magier - Astaroths Angriff - The Tapestry Trilogy 2 - The Second Siege
privaten Räume von der Buchhandlung trennte.
Die Klänge von Hörnern und Zimbeln drangen ins Haus wie schon die ganze Nacht hindurch. Im Raum war es dunkel; nur ein dünner Strahl Tageslicht fand seinen Weg zwischen den dunkelroten Vorhängen hindurch. Max ging langsam durch den Raum und blieb vor einem hohen Bücherregal stehen, dessen Inhalt eine Messingplatte verriet: INDEX LIBRORUM PROHIBITORUM.
»Kannst du Latein?«, erklang eine Stimme hinter ihm. Señor Lorca stand am anderen Ende des Raums und zog einen schwarzen Mantel aus. Das weiße Haar hatte er sich aus dem Gesicht gekämmt und seine Wangen waren rosig von der Kälte des Novembermorgens.
»Ja, Sir«, antwortete Max. »Es bedeutet, dass diese Bücher verboten sind.«
»Und das waren sie auch schon früher«, entgegnete der alte Agent, der jetzt neben Max trat und durch das Glas des Regals schaute. »Vor Jahrhunderten hat die Kirche begonnen, eine Liste von Büchern wie diesen zu erstellen, ihren Index Librorum Prohibitorum. Die Werke von Ketzern – gotteslästerlich! Wer ein solches Buch besaß, riskierte viel: Einkerkerung, Exkommunizierung … und Schlimmeres. Während der Inquisition war alles möglich.«
»Aber ich habe von einigen Verfassern gehört«, sagte Max und schob die Hände tief in seine Taschen. »Kant, Voltaire, Locke … was ist so gefährlich an ihnen?«
Señor Lorca kicherte; seine Augen funkelten wie dunkle Kupfermünzen.
»Nichts ist gefährlicher als eine Idee. Ideen bringen Veränderung und die Menschen haben große Angst vor Veränderung.« Er öffnete die Glasvitrine und nahm ein fragil wirkendes gebundenes Manuskript mit dem Titel De Revolutionibus Orbium Coelestium heraus. »Weißt du, was Goethe über unseren Freund Kopernikus gesagt hat? Über denselben Kopernikus, der zu dem Schluss kam, dass unsere kleine Erde nicht – Gott behüte – der Mittelpunkt des Sonnensystems ist?«
»Nein«, antwortete Max.
»Dunst und Rauch«, flüsterte Señor Lorca und beschwor mit einem Fingerschnippen, das eines Falschspielers würdig gewesen wäre, eine schwebende Kugel aus weißem Dunst herauf. Er blies hinein, ein sanfter Atemzug, der an den Rändern der Kugel zupfte, bis sie sich in Nichts auflöste. »›So vieles hat sich in Dunst und Rauch aufgelöst. Was ist aus unserem Paradies geworden, unserer Welt, der Unschuld, Frömmigkeit und Poesie, dem Zeugnis unserer Sinne, der Überzeugung eines dichterisch-religiösen Glaubens? ‹ Verstehst du, was Goethe meinte?«
»Ich denke, ja«, erwiderte Max. »Kopernikus hat die Art, wie die Menschen die Welt betrachteten, infrage gestellt.«
»Und damit sie selbst«, sagte Señor Lorca und klopfte auf das Manuskript, bevor er es wieder hinter die Glasscheibe steckte. »Und das ist sehr beängstigend, Max. Verängstigte Menschen sind zu schrecklichen Dingen fähig. Astaroth versteht das sehr gut. Dafür findet man reichlich Beweise auf den Straßen.«
Von der Haustür erklangen Klopflaute und Gelächter.
»Ignorier es«, flüsterte Señor Lorca und legte einen Finger auf die Lippen. »Es sind diese idiotischen Kinder, die
die Anwohner zum Fest rufen. Sie werden wieder weggehen.«
Es klopfte abermals, und eine Kinderstimme rief einige Worte auf Spanisch, bevor Max im Getöse ferner Musik das Geräusch schneller, sich zurückziehender Schritte hörte.
»Ist es sehr schrecklich dort draußen?«, wollte Max wissen.
»Ja«, antwortete Señor Lorca mit einem ernsten Nicken. »Meine wunderschöne alte Universität ist zerstört – etwas Unaussprechliches hat darin Quartier genommen. Die Professoren sind verhaftet worden. So ist es immer in solchen Zeiten, und ich bin alt genug, um mich an andere zu erinnern. Glücklicherweise war meine Mission von Erfolg gekrönt.« Der Agent seufzte und förderte einen dicken Stapel gestempelter Dokumente und Papiere zutage.
»Werden uns diese Papiere helfen, nach Deutschland zu kommen?«, fragte Max.
»Ich hoffe es«, antwortete Señor Lorca. »Ich habe viele Gefälligkeiten eingefordert. Wenn das alles nichts nutzt, wird William sich um euch kümmern. Er ist überaus tüchtig.«
»Es ist so seltsam«, meinte Max, der über Cooper nachdachte. »Ich habe mir nie vorgestellt, dass er einen anderen Namen haben könnte oder …«
»Oder ein anderes Gesicht?«, ergänzte Señor Lorca mit einem verständnisvollen Lächeln.
Max nickte.
»Ich weiß«, sagte der alte Mann und trat vor ein anderes Regal, um die in säuberlichen Reihen aufgestellten
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