Schumacher, Jens - Deep
Salzwasser – und dennoch zeigen diese Männer zielgerichtete, bewusste Aktivität.« Er nippte aufgeregt an seinem Champagner. »Ich kann es kaum abwarten, einen von ihnen zu untersuchen.«
»Herrschaften!« Hauschildt hatte sich erhoben und drehte sich mit ausgebreiteten Armen zu den Wissenschaftlern um. »Ihre Begeisterung ist berechtigt. Was Sie eben gesehen haben, hat noch nie zuvor eines Menschen Auge erblickt. Ich bitte Sie dennoch, Ruhe und vor allem Objektivität zu wahren.«
»Hoffentlich schadet die ungewohnte Aufregung der Besatzung nicht.« Dr. Antoine aus Paris rang besorgt die Hände. »Was, wenn der Mannschaft im Zuge der Bergung etwas geschieht? Einige der Männer müssen über hundert Jahre alt sein!«
Hauschildt winkte ab. »Keine Sorge, meine Leute sind Spezialisten. Jedes Detail der Operation wurde ihnen tagelang eingebläut.« Er hob triumphierend sein Getränk, bis das Licht der Neonleuchten in dem geschliffenen Glas glitzerte. »In wenigen Minuten ist das U-Boot offen, und Sie werden sehen, dass ich mit allem recht hatte. Deus sunt, si hoc ita est!«
Die Umstehenden hoben ihre Gläser und stießen auf diesen Toast an. Lächelnd drehte sich Hauschildt wieder zum Steuerpult um.
»Er ist völlig wahnsinnig«, flüsterte McKenzie.
»Was hieß das?«, erkundigte sich Becca erneut.
»Ich bin ein Gott, wenn dies wahr ist.«
»Henry wird es schaffen. Bestimmt.« Beccas Worte klangen bei Weitem nicht so zuversichtlich, wie sie es sich wünschte.
Dr. Wilkins warf einen Blick auf seine Armbanduhr.
Es war fünfundzwanzig Minuten nach elf.
32
AUF DEM MEERESGRUND,
27. SEPTEMBER 2013, 23:28 UHR
Jeder Schritt war ein Kampf. Henrys Beine schienen Zentner zu wiegen. Er fühlte sich, als würde er durch ein Bassin voll flüssigem Zement waten. Aber es war Wasser, das ihn umgab – mehr Wasser, als er beim Tauchen je um sich gehabt hatte.
Nachdem er den Technikern in den Schleusenraum gefolgt war und weisungsgemäß neben dem ersten Taucher Aufstellung genommen hatte, musste er sich einem finalen Check unterziehen. Die Aufmerksamkeit der Männer galt dabei glücklicherweise nur den Mechanismen seines Anzugs. Sie konnten ja nicht ahnen, dass im Innern ein anderer steckte als der, den sie dort vermuteten.
Glücklicherweise war Henry noch rechtzeitig gekommen, um den anderen Taucher bei seinem Test der verschiedenen Systeme seines Hartanzugs zu beobachten: Drehung und Zugreifen Manipulator rechts; Drehen und Zugreifen Manipulator links; Helmscheinwerfer einschalten; Handzeichen, ob Sauerstoffversorgung und Heizung korrekt arbeiteten.
Als ein Schwarzgekleideter zu ihm trat und ihn mit Gesten aufforderte, seine Systeme zu checken, war Henry vorbereitet. Problemlos ging er unter dem kritischen Blick des Technikers alle Punkte durch. Als der Mann zufrieden war, bedeutete er Henry, neben den anderen Taucher in die Mitte der Schleuse zu treten. Dann verschwand er. Auch die restlichen Männer verließen jetzt den Raum, wobei sie das Schott hinter sich verriegelten.
Nichts geschah. Henry sah sich um und entdeckte ein zweites, größeres Schott. Er vermutete, dass die Walküre nach ihrer Gefangennahme auf diesem Weg in eine angrenzende Werkstatt gebracht worden war.
Plötzlich begann der Boden unter seinen Füßen zu erzittern.
Ein mahlendes Geräusch setzte ein. Im ersten Moment befürchtete Henry ein weiteres Mini-Erdbeben, doch rasch dämmerte ihm, dass der Lärm eine andere Ursache hatte.
Die Kammer wurde geflutet.
Henry verspürte einen Anflug von Panik, als sich baumdicke Wassersäulen aus den vergitterten Öffnungen der Wände ergossen. Im Handumdrehen stand er bis zu den Hüften in schäumendem Wasser, wenige Augenblicke später reichte es bereits bis zur Unterkante seiner Helmfenster.
Er beruhigte sich wieder, als er feststellte, dass sich im Innern seines Anzugs nicht das Geringste änderte. Es wurde etwas kühler, als das kaum vier Grad kalte Meerwasser die Metallhülle des Siegfried umschloss, das war alles. Henry drehte an dem Rädchen für die Innentemperatur, und augenblicklich erwärmte sich die Polsterschicht, die seinen Körper wie eine zweite Haut umgab.
Der Boden wankte erneut, heftiger diesmal. Durch Wirbel von Luftbläschen erkannte Henry, dass die Bodenplatte der Kammer an den hydraulischen Ecksäulen abgelassen wurde. Rund zwanzig bange Herzschläge später traf sie mit einem Ruck auf dem Meeresboden auf.
Sofort setzte sich der andere Taucher in Bewegung. Er schien
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