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Schumacher, Jens - Deep

Schumacher, Jens - Deep

Titel: Schumacher, Jens - Deep Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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wirkte das Wrack noch viel größer als vom Fenster eines vorbeischwebenden Tauchboots. Auch konnte Henry erst aus der Nähe richtig erkennen, wie exakt der stählerne Rumpf den darunterliegenden Riss im Gestein ausfüllte. Kein Spalt klaffte zwischen der Außenwand und der von zermahlenen Korallen bedeckten Abbruchkante, jedenfalls sah Henry durch die Wolken aufgewirbelten Sediments nichts dergleichen. Ihn schauderte erneut, als er sich die physischen Kräfte vorstellte, die hier am Werk gewesen sein mussten, als das U-Boot abgerutscht war.
    Ottenthal setzte sich wieder in Bewegung, hielt auf die Mitte des riesigen Schiffskörpers zu. Etwa auf Höhe des Turms, wo eine Reihe von Tritten in der stählernen Wand zum Oberdeck hinaufführte, stoppte er wieder und vergewisserte sich mit einem kurzen Kontrollblick, ob sein Begleiter noch hinter ihm war. Dann begann er den Aufstieg.
    Die halbrunden Löcher in der Bordwand waren für normales Schuhwerk gemacht, die plumpen Fußstücke des Hartanzugs fanden nur schwer darin Halt. Dennoch bewegte sich Ottenthal in seiner Montur so sicher, dass er den Höhenunterschied zum Deck innerhalb weniger Minuten meisterte.
    Nun machte sich auch Henry ans Werk.
    Die ersten Tritte bereiteten ihm enorme Probleme. Es wollte ihm einfach nicht gelingen, die Spitzen seiner klobigen Stiefel hineinzubugsieren. Erst, als er mit weniger Kraft zu Werke ging und sich für jeden einzelnen Schritt übertrieben viel Zeit ließ, hatte er Erfolg.
    Auf halber Höhe passierte Henry die Bullaugen. Bevor er sich überlegen konnte, ob er einen erneuten Blick riskieren wollte, nahm er aus dem Augenwinkel bereits eine hektische Bewegung auf der anderen Seite wahr. Er drehte den Oberkörper, um den Strahl seiner Helmscheinwerfer seitlich gegen die Bordwand zu lenken – und musste sich zusammenreißen, um nicht vor Schreck laut aufzuschreien.
    Hinter nahezu jedem Fenster der U-196 huschten blasse Schemen umeinander. Die Scheiben waren vollständig ausgefüllt von großen, organisch anmutenden Formen, die sich dicht hinter dem Glas wanden und ringelten. Wenn man es darauf anlegte, konnte man in den verschwimmenden Umrissen menschengroße Gestalten erkennen, die aufgeregt im Innenraum hin und her eilten. Zuweilen presste sich etwas Weiches, Weißes gegen eines der Bullaugen, eine knotige Masse voller Rillen und Vertiefungen, die auseinanderquoll, wenn sie das Glas berührte, und sich seltsam verzerrte, sobald sie sich wieder davon löste.
    Beim ersten Mal hatte der Anblick Henry lediglich verstört. Jetzt, da er wusste, worum es sich handelte, ließen ihn Ekel und Furcht würgen. Rasch wandte er den Blick ab und beeilte sich, die restlichen Trittstufen nach oben zu klettern.
    Ottenthal hatte die niedrige Reling des Oberdecks bereits überwunden und erklomm eine weitere Steighilfe, die zur Spitze des Decksturms hinaufführte. Es war eine stählerne, an die Außenwand des Bootes angeschweißte Leiter, die sich deutlich besser erklettern ließ. Henry fürchtete zwar, die rostigen Sprossen könnten unter dem Gewicht ihrer Anzüge brechen, doch nicht eine einzige gab nach. Deutsche Wertarbeit, dachte er humorlos.
    Wenig später stand Henry neben seinem Begleiter auf dem höchsten Punkt der U-196. Der achtern gelegene Teil des länglichen Aufbaus war von einem hüfthohen Handlauf umgeben. Am hinteren Ende ragte ein von Muscheln überkrustetes Geschütz in die Höhe wie das Skelett eines vor Urzeiten gestorbenen Tiers.
    Die bugwärtige Hälfte wurde von einer gebogenen Stahlwand geschützt, die Henry etwa bis zur Brust reichte. Sie musste einst dazu gedient haben, Gischt und Wellen abzuhalten, wenn hier jemand auf Ausguck stand.
    Vor seinen Füßen, kaum zu erkennen unter einer dicken Schicht aus Sand, Kalk und Korallen, befand sich eine runde Luke von gut einem Meter Durchmesser.
    »Ihr seid am Ziel«, tönte Hauschildt über den Helmfunk. Trotz der schlechten Übertragungsqualität war die Erregung des Historikers nicht zu überhören. »Operation Schatzkästchen kann anlaufen. Ihr wisst, was ihr zu tun habt.«
    Das wusste Henry natürlich nicht. Ottenthal dafür umso besser.
    Der Mann beugte sich vor, so weit sein Anzug es zuließ, und machte sich mit seinen Manipulatoren an der Luke zu schaffen. Aufgrund des Sandes, der sofort in dicken Schwaden emporwölkte, konnte Henry nicht erkennen, wie der Öffnungsmechanismus genau aussah, aber offenbar gab es kein großes Drehrad, wie man es in Filmen so häufig sah. Kurz

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